Und wann kommt der nächste, noch härtere „Lockdown“?

Nach wie vor bevorzugen unsere Regierungen die „Salami-Taktik“ – die Maßnahmen werden immer nur für kurze Zeiträume getroffen und sind so organisiert, dass sie gar keine ernsthafte Wirkung entfalten können. Wie lange noch?

Gootesdienst im Livestream, Leben im Livestream - wir müssen uns wohl daran gewöhnen... Foto: Koffeinist / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der heutige Monat ist in ganz Europa ein Tag des Chaos. Luxemburg öffnet Schulen, Geschäfte und kulturelle Veranstaltungsorte, während in Frankreich die nächtliche Ausgangssperre in eine abendliche und nächtliche Ausgangssperre umgewandelt wird. Bringen wird weder die eine, noch die andere Maßnahme etwas. Wir kommen, nach einem Jahr der Pandemie, in einen Bereich, in dem es kaum noch darum geht, ob die verkündeten Maßnahmen tatsächlich etwas bringen, sondern in dem Dinge entschieden werden, die in erster Linie als Arbeitsnachweis für die Politik gelten.

Wenn man vergleicht, die die Nachbarstaaten Belgien, Luxemburg, Frankreich und Deutschland alleine in diesen Tagen mit der Krise umgehen, dann versteht man, warum keine der Maßnahmen Erfolg haben kann, denn das, was die einen entscheiden, verhindert, dass die Maßnahmen der anderen greifen können. Der kleine Grenzverkehr macht es möglich, in den Grenzregionen die Maßnahmen im eigenen Land unterlaufen zu können, indem man einfach im Nachbarland das tut, was im eigenen Land gerade verboten ist. Im Vierländereck wird dies besonders deutlich – und auch der Umstand, dass offenbar die Maßnahmen ohne jede Abstimmung zwischen den Nachbarn verkündet werden. Nur – so wird das nichts.

Belgien hat gerade die 20.000 Todesopfer überschritten, Frankreich die 60.000, Deutschland die 40.000. Die Inzidenzen sind hoch und mitten drin sitzt Luxemburg und reißt die Schotten auf. Ja, meint Luxemburg wirklich, dass die Entwicklung in den drei Nachbarländern keine Auswirkungen auf das eigene Land haben werden? Dass die Zehntausenden Berufspendler (für die natürlich Ausnahmen gelten, denn man will ja, dass auch Infizierte weiter arbeiten und den Schornstein am Rauchen halten…) das Virus weiter über alle Grenzen tragen werden, hätte man ja auch in Luxemburg verstehen können. Und warum werden diese grundlegend verschiedenen Maßnahmen nicht wenigstens zwischen Nachbarn abgestimmt, wenn man schon zu beschränkt ist, endlich europäisch zu denken und zu handeln?

Dass die inzwischen abendlichen Ausgangssperren (25 Departements in Frankreich sind ab sofort mit einer Ausgangssperre zwischen 18 Uhr und 6 Uhr morgens belegt) nichts bringen werden, ist auch klar. Im Gegenteil – die Maßnahme sorgt für neue Cluster, denn ab sofort werden sich gegen 17 Uhr Arbeitnehmer und Schüler gleichzeitig in den öffentlichen Verkehrsmitteln drängeln, die Lebensmittelgeschäfte werden zur gleichen Zeit einen riesigen Ansturm erleben und statt die sozialen Kontakte zu entzerren, konzentriert man eben diese sozialen Kontakte in einem stark verkürzten Zeitraum. Hätte man dem Virus SARS-CoV-2 einen Gefallen tun wollen, hätte man keine andere Maßnahme treffen können.

Doch werden weder Belgien, noch Frankreich, noch Luxemburg, noch Deutschland mit diesen hingestümperten Maßnahmen irgendetwas erreichen. Wir befinden uns nun in der Phase, in der die nächste Welle bereits unterwegs ist, die daraus resultiert, dass ja unbedingt halb Europa zu den Festen am Jahresende reisen und feiern musste. Zum Glück haben die Regierungen das erlaubt, wobei sie gleichzeitig davon abgeraten haben. Seit fünf Tagen registriert Deutschland täglich mehr als 1000 Tote „in Zusammenhang mit dem Virus“, was immer das bedeuten soll. Keine Gesundheitsbehörde gibt Medien Auskunft darüber, wie die täglich veröffentlichten Zahlen ermittelt werden. Was bedeutet „in Zusammenhang mit dem Virus“? Sterben die Menschen an diesem Virus oder nicht? Kann man festlegen, ob ein Mensch an Covid-19 stirbt oder ob das Virus den Tod aufgrund anderer Krankheiten beschleunigt? Warum kann über diese Fragen nicht kommuniziert werden? Warum befeuern die Behörden Gerüchte und Verschwörungstheorien, wo sie doch durch eine transparente Kommunikation diese Gerüchte und Theorien entkräften könnten?

Bereits jetzt ist klar, dass die Impfungen im Optimalfall erst in einigen Monaten erste Ergebnisse zeigen können und auch nur dann, wenn sich ein sehr hoher Prozentsatz der Bevölkerung an den Impfungen beteiligt, was noch in den Sternen steht. Gleichzeitig ist klar, dass die anderen Maßnahmen, die momentan in den europäischen Ländern beschlossen werden, keinerlei Ergebnisse bringen werden. Logischerweise kann dies nur eines bedeuten – nämlich dass in sehr absehbarer Zeit neue „Lockdowns“ verkündet werden, noch schärfer, noch restriktiver, noch belastender. Doch angesichts der Unfähigkeit zu einer europaweiten Strategie werden auch neue „Lockdowns“ nicht viel bringen. Auch, wenn wir diese Frage inzwischen fast täglich stellen, so werden wir sie weiterhin stellen, bis es eine Antwort gibt: Warum schaffen es unsere politisch Verantwortlichen nicht, eine europäische und vor allem grenzüberschreitende Strategie zu entwickeln? Statt lösungsorientiert und europäisch zu arbeiten, ziehen es unsere Regierungen vor, ihre (und damit unsere) Länder national an die Wand zu fahren. Stellen wir uns also darauf ein, dass diese ganze Geschichte leider noch sehr lange dauern wird…

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