Und was ist mit den OB-Wahlen in Frankreich?

Nach dem katastrophalen ersten Wahlgang der OB- und Kommunalwahlen in Frankreich stellt sich nun die Frage, was mit dem ausgefallenen zweiten Wahlgang passieren soll.

Bis zu zwei Drittel der Wahlberechtigten blieben am 15. März dem ersten Wahlgang der OB- und Kommunalwahlen fern. Und jetzt? Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die ersten Lockerungen des Lockdowns in Frankreich sind gerade mal vier Tage alt, da ist das Land schon wieder (fast) im Wahlkampf. Die Diskussionen, wie es nun mit diesen Wahlen weitergehen soll, laufen auf Hochtouren und sind vor allem von einem geprägt – der Taktik. Es gibt verschiedene Optionen und die Regierung will am 23. Mai bekannt geben, wann wie und wo der ausgefallene zweite Wahlgang stattfinden soll oder ob die gesamte Wahl wiederholt wird. Das Thema ist heikel.

Zur Erinnerung, der erste Wahlgang fand am 15. März statt, anderthalb Tage vor dem Beginn des Lockdowns, allerdings bereits mitten in der Coronakrise. Zur Überraschung vieler hatte Präsident Macron diesen Wahltermin aufrecht erhalten, angeblich unter dem Druck der Opposition und das wäre dann vermutlich die einzige politische Entscheidung des Präsidenten gewesen, bei der ihn die Meinung der Opposition interessiert hätte. Der Wahltermin entpuppte sich als Desaster. Rund 55 % der Wahlberechtigten gingen aus Angst vor einer Ansteckung nicht zur Wahl und es fällt schwer, die Ergebnisse als demokratisch legitimiert zu betrachten, zumal es am Wahltag offenbar zu zahlreichen Infektionen bei Wähler*innen und Wahlhelfer*innen kam. Die allgemeine Ansicht ist, dass dieser erste Wahlgang nicht hätte stattfinden dürfen.

Nun sieht das französische Wahlrecht allerdings zwei Wahlgänge vor, doch der zweite Wahlgang fiel wegen des Lockdowns aus. Dies führte dazu, dass seitdem die bisherigen Amtsinhaber ihre Amtsgeschäfte kommissarisch weiterführen.

Folgende Optionen sind momentan im Gespräch:

Erste Option: Die Wahlen werden komplett wiederholt, im September oder Oktober, mit erstem und zweitem Wahlgang. Vorteil – der absolut undemokratisch zu wertende erste Wahlgang würde gestrichen und bei einer solchen Wiederholung würden deutlich mehr Menschen zur Wahl gehen.  Dazu hätten die Parteien und Listen die Möglichkeit, ihren Wahlkampf auf die völlig veränderten Umstände anzupassen. Nachteile – in rund 30.000 der rund 36.000 französischen Kommunen wurde bereits im ersten Wahlgang ein(e) Bürgermeister*in gewählt. Dies trifft vor allem auf den ländlichen Bereich zu, wo oftmals nur eine einzige Liste zur Wahl stand und gewählt wurde. Die so gewählten Bürgermeister*innen verspüren wenig Lust, ihren Wahlsieg vom März erneut bestätigen lassen zu müssen. Dazu müssten die bisherigen Amtsinhaber*innen bis in den Herbst im Amt bleiben.

Zweite Option: Es wird ein zweiter Wahlgang noch vor den Sommerferien im Juni durchgeführt. Vorteil: Es käme schnell zu klaren Verhältnissen. In diesem Fall würden vermutlich die Ergebnisse in den 30.000 Kommunen mit einem Ergebnis im ersten Wahlgang bereits vorher ihr Amt antreten können. Nachteile: Niemand kann sagen, dass die Coronakrise im Juni tatsächlich überwunden ist. Die Chancen, dass sich das Desaster des ersten Wahlgangs wiederholt, sind real. Dazu würde damit ein als nicht demokratisch empfundener erster Wahlgang nachträglich legitimiert. Die Listen müssten praktisch ohne Wahlkampf (ein solcher wäre angesichts der geltenden sanitären Maßnahmen praktisch kaum durchführbar) mit den gleichen Inhalten wie im März antreten. Nur haben sich seitdem die Umstände dramatisch verändert, die Programme der Parteien und Listen können heute nicht mehr die gleichen sein wir vor einigen Monaten. Ein solcher zweiter Wahlgang im Juni wäre politisch gesehen eine Farce.

Dritte Option: ein zweiter Wahlgang im September. Vorteil – die Chancen stünden besser, dass alle Wahlberechtigten unter sicheren Bedingungen teilnehmen können, und die Parteien und Listen hätten Zeit, auf die geänderten Umstände zu reagieren. Nachteile – unklare Verhältnisse bis in den Herbst und der skandalöse erste Wahlgang wäre dadurch legitimiert.

Für die Kandidat*innen in Straßburg ist es eine schwierige Zeit. Die Grünen erleben gerade das gleiche wie die Grünen in Deutschland – ihre Themen, die auf Klima- und Umweltschutz basieren und die vor der Coronakrise die Öffentlichkeit beschäftigt hatten, sind in den Hintergrund gerückt. Ob die grüne Kandidatin Jeanne Barseghian ihr Topergebnis aus dem ersten Wahlgang bestätigen kann, ist fraglich. Für den Kandidaten der Macron-Partei „La République en Marche“ Alain Fontanel dürfte der weitere Verlauf der Wahlen ein Spießrutenlauf werden, denn natürlich werden die Wähler*innen ihm die Quittung für das allgemein als lausig empfundene Management der Krise durch die Regierung (und die Vertreter seiner Partei) präsentieren. Alleine die Sozialisten der PS könnten nun von der Situation profitieren. Sehr präsent an der Seite der Bürger*innen während der Krise, dürften sie weiter Punkte gesammelt haben.

Wie immer sich die Regierung am 23. Mai auch entscheiden wird, den OB- und Kommunalwahlen 2020 wird ein Makel anhaften, den keine dieser Optionen auflösen kann. Nämlich dass der erste Wahlgang am 15. März nie hätte stattfinden dürfen und dass er sogar Menschenleben gekostet hat. Eine schwere Hypothek für den weiteren Verlauf dieser Wahlen und auch die nächste Amtszeit der dann irgendwann Gewählten.

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