Deutschland sollte sich seiner historischen Verantwortung stellen

Griechenland und Polen stellen hohe Reparationsforderungen in Milliardenhöhe an Deutschland. Doch statt aufzujaulen, sollte man erst einmal in Ruhe überlegen.

Griechenland 1942 - Deutschland plündert die Nationalbank. Der "Zwangskredit" von 476 Millionen Reichsmark wurde nie zurückgezahlt. Foto: Bundesarchiv, Bild 101l-175-1267-09 / Teschendorf / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die polnische Forderung nach Reparationen für Schäden aus dem II. Weltkrieg in Höhe von 840 Milliarden Euro trieb zwar selbst der polnischen Bischofskonferenz die Schamesröte ins Gesicht, doch auch die griechische Forderung nach Rückzahlung des von den Nazis erpressten „Kredits“ in Höhe von heute ungefähr 11 Milliarden Euro sollte man diskutieren. Zumindest dann, wenn man Europa als Werte- und Solidargemeinschaft begreift. Denn die Forderungen haben durchaus Substanz.

Die Nachkriegszeit ist, wenn man mal ehrlich ist, ein Kapitel der großen Ungerechtigkeit. Als „Strafe“ für seine Kriegsverbrechen wurde die Bundesrepublik von den USA und den Alliierten so hochgepäppelt, dass sich Wohlstand und Vergessen mit dem „Wirtschaftswunder“ einstellten, das eigentlich gar nicht so wundersam war. Zeitgleich mussten die Länder, in denen die Nazis gewütet hatten, mehr oder weniger alleine schauen, wie sie mit den Verwüstungen klarkommen.

Natürlich ist diese Zeit längst vorbei, doch die Auswirkungen dieser Ungerechtigkeit dauern bis heute an. Und Deutschland hat zwar die Mittel geändert, führt heute aber mit großem Erfolg eine Art Wirtschaftskrieg. Diesen bemänteln wir gerne mit dem wunderbaren Ausdruck „Exportweltmeister“, doch der riesige Handelsüberschuss, den die deutsche Wirtschaft erzielt, geht Hand in Hand mit ebenso riesigen Handelsdefiziten, unter denen die Partnerländer ächzen. Dass dabei das Gefühl in Europa entsteht, dass etwas richtig schief gelaufen ist, muss man verstehen.

Die strenge deutsche Wirtschaftspolitik, unter der nicht nur viele Europäerinnen und Europäer, sondern auch rund 20 % der Deutschen leider, die unter der Armutsgrenze leben, ist für viele Länder Europas nur schwer zu ertragen. Jede Jubelmeldung über deutsche Exportüberschüsse ist wie ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die unter der deutschen Politik leiden und die bis heute nicht verstehen, warum man Kriegsverbrecher geschont hat, die Opfer dagegen im Stich ließ.

Deutschland will die erste Geige in Europa spielen? Dann sollte die Bundesregierung für einen festzulegenden Zeitraum einen Prozentsatz des Handelsüberschusses in einen europäischen Solidarfonds einzahlen, der denjenigen Ländern zugutekommen sollte, die unter den Nazis leiden mussten. Über einen solchen Fonds könnten Konjunkturprogramme in diesen Ländern finanziert werden, was übrigens langfristig auch wieder Deutschland zugutekäme, denn wenn die Kaufkraft in den betroffenen Ländern steigt, profitiert davon, wie immer, auch die deutsche Wirtschaft.

Aber vor allem würde eine solche Maßnahme endlich den deutschen Vorträgen zum Thema Europa Inhalt und Sinn verleihen. Wenn man bedenkt, dass Deutschland alleine an der Griechenlandkrise 73 Milliarden Euro verdient (!) hat, dann kann man auch verstehen, dass die Griechen nicht so richtig glücklich darüber sind, dass nicht einmal dieser „Zwangskredit“ in Höhe von damals 476 Millionen Reichsmark zurückgezahlt wurde.

Spätestens jetzt werden die ersten aufjaulen und auf das Londoner Schuldenabkommen von 1953 verweisen, mit dem angeblich alle Reparationsforderungen abschließend geregelt wurden. Nur, das ist nicht ganz richtig. Im Londoner Abkommen wurden zahlreiche Aspekte der Reparationen auf einen unbestimmten Zeitpunkt vertagt und gerieten in Vergessenheit.

Warum also nicht diesen Europäischen Solidaritätsfonds aus deutschen Handelsüberschüssen ins Leben rufen, einen Prozentsatz definieren, der aus dem deutschen Handelsüberschuss in diesen Fonds wandert und europäische Solidarität nicht nur einfordern, sondern vor allem leben? Die Forderungen der verschiedenen Länder nach Reparationen und der Rückführung von Zwangskrediten ist alles andere als unberechtigt und Deutschland könnte einen riesigen Schritt hin zu mehr europäischer Solidarität wagen. Es wäre an der Zeit…

1 Kommentar zu Deutschland sollte sich seiner historischen Verantwortung stellen

  1. Karl-Heinz Völker // 1. Juni 2018 um 10:43 // Antworten

    Nein, das Geld ist bei meiner Familie besser aufgehoben.
    Wenn Sie gegenteiliger Ansicht sind und zu Ihrer historischen Verantwortung stehen möchten, bitte stiften Sie Ihre gesamten Ersparnisse. Aber gutes Gewissen auf anderer Leute Kosten, ne :-)
    Wenn das der “Europäische Geist” sein soll – geschenkt zu teuer.

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