Und wie funktioniert die Telearbeit?

Viele Unternehmen und Organisationen im Grenzgebiet haben zu Beginn der sanitären Maßnahmen auf Telearbeit umgestellt. Wir wollten wissen, wie sich dieses System in der Praxis bewährt, gerade auch im grenzüberschreitenden Modus.

Mal im Wohnzimmer, mal in der Küche, mal auf dem Balkon - der Arbeitsplatz von felix Braun hat gerade nichts mit seinem Chefbüro zu tun... Foto: Felix Braun / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Seit Beginn des Jahres arbeitet in Kehl die „Universalschlichtungsstelle des Bundes“ (USS). Hinter diesem etwas sperrigen Namen verbirgt sich eine neutrale Schlichtungsstelle, die in Streitigkeiten zwischen Händlern und Verbrauchern nach einer intensiven Analyse der Rechtslage beiden Parteien einen Schlichtungsvorschlag unterbreitet, den diese dann annehmen können oder auch nicht. Bei diesen Schlichtungsverfahren handelt es sich um eine schnelle und günstige Art (für Verbraucher kostenlos, für Unternehmen sehr günstig), Streitigkeiten schnell und außergerichtlich beizulegen. Kurz nach der offiziellen Eröffnung dieser bundesweit tätigen Einrichtung kam die Coronakrise. Wie viele stellte die USS ihre Arbeit auf Telearbeit um. Wir wollten wissen, wie so etwas in der Praxis und im grenzüberschreitenden Raum funktioniert. Interview mit Felix Braun, dem Leiter dieser Einrichtung.

Wie haben Sie sich mit der Universalschlichtungstelle des Bundes (USS) auf die Umstellung auf Telearbeit vorbereitet, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl im Elsass, als auch in der Ortenau leben?

Felix Braun: Wir haben am 10 März erste Überlegungen angestellt, wie ein Umzug ins Home Office aussehen könnte – in einem ersten Schritt für die Kolleginnen und Kollegen aus dem Elsass, in einem weiteren für den Rest des Teams. Geholfen hat uns dabei sicher auch, dass manche von uns persönliche Kontakte ins schon früher heftig betroffene Ausland hatten, etwa nach Italien, aber auch Hongkong. So konnten wir auch zeitig dank und mit unserem IT-Admin die Parameter stellen, um auch Sicherheitsbelange beim Umzug zu beachten. Als dann kurz darauf das Elsass vom RKI als Risikogebiet eingestuft wurde, konnten unsere Grenzgänger sofort zuhause bleiben, ohne dass es zu einer Unterbrechung der Arbeit kam.

Hat der Umstand einer grenzüberschreitenden Telearbeit Probleme gemacht? Funktioniert die USS so wie zu normalen Zeiten oder gibt es Einschränkungen?

FB: Nein, es gibt keinerlei Einschränkungen. Ich möchte an dieser Stelle aber innehalten und ein Riesendankeschön an mein Team richten, wobei mich dessen Haltung an sich nicht überrascht hat, weil ich hohes Vertrauen in den Arbeitsethos eines jeden dort habe. Nicht nur, dass also niemand von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich per Telefon mehr oder weniger begründet krankschreiben zu lassen. Vielmehr wurde die Bereitschaft in Taten sichtbar, bei Bedarf auch mehr anzupacken, Überstunden zu leisten, flexibel Aufgaben zu übernehmen und Arbeitsprozesse kurzfristig und kreativ anzupassen. Dabei muss ich aber auch sagen, dass wir ohnehin sehr viel online arbeiten, was uns die Migration ins Home Office im Vergleich zu anderen Einrichtungen wesentlich erleichtert hat. Noch im März schickte ich übrigens alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Home Office, auch diejenigen, die auf der deutschen Seite wohnen. Klassischer Postservice ist natürlich dennoch gewährleistet, da sich alle mit einem Bürotag pro Person abwechseln. Das ist ganz einfach unser Beitrag zur größtmöglichen Eindämmung von Covid, der bei unserer Arbeitsweise eben auch möglich ist.

Warum ist speziell in einer Ausnahmesituation wie dieser die Möglichkeit zur Streitschlichtung besonders wichtig?

FB: Beide Vertragsparteien -Verbraucher und Unternehmen- haben gerade ganz andere Herausforderungen zu bewältigen, mal mehr, mal weniger heftig. Beide haben Rechte und Pflichten, beide haben berechtige Interessen – oder unberechtigte. Dies alles muss sauber herausgearbeitet werden. Schlichtung birgt hier enormes Potential: Eine neutrale rechtliche Einschätzung bringt die Parteien auf Augenhöhe, mit Verständnis für die Sach- und Rechtslage können dann aber Lösungen gefunden werden, die auch darüber hinausgehende Interessen vereinen könnten. Und etwas platt gilt das, was für die ganze Gesellschaft gerade im Vordergrund steht: Einen, nicht spalten. Was aber nichts mit faulen Kompromissen zu tun hat.

Momentan sind viele Verbraucher zwangsläufig auf das Einkaufen im Internet umgestiegen – hat das für Sie zu einem höheren Arbeitsaufwand, also mehr Fällen geführt?

FB: Wir haben in der Tat eine leichte Steigerung unserer Fallzahlen seit Beginn der Krise, derzeit können wir aber keinen unmittelbaren Zusammenhang erkennen. Aber das kommt vielleicht noch. Auch, weil Gesetze gerade angepasst werden, was Wellen von Anträgen auslösen könnte, etwa bezüglich stornierter Kultur- oder Sportevents.

Nicht zu vergessen ist auch, dass Verbraucher immer erst mal selbst versuchen müssen, eine Lösung mit dem Unternehmen zu finden, bzw. ihre Beschwerde dort vorbringen müssen, ohne dass man sich dann einigen kann. Fehlt es an dieser Voraussetzung, kann ein Antrag auf Schlichtung kein Verfahren auslösen. Daher kann es durchaus schon einige Fälle geben, die sozusagen schon bei uns vor der Tür Schlange stehen, von denen wir aber nichts wissen.

Gibt es viele Anträge, steigt der Arbeitsaufwand. Aber nach über einem Monat Home-Office-Erfahrung arbeiten wir ähnlich effizient wie sonst auch.

Experten schätzen, dass nach Ende der Kontaktsperre ein wahrer Konsum-Boom losgehen wird – rechnen Sie dann mit einem Anstieg der Fallzahlen?

FB: Wie ganz viele Menschen hätte ich gerne eine Kristallkugel – warten wir es ab. Ich hoffe und wünsche mir jedenfalls, dass Verbraucher bald wieder normal einkaufen können und die Wirtschaft unter anderem dadurch wieder in Schwung kommt. Und wenn mehr Fälle damit einhergehen – dafür sind wir da.

Es wird ja zumindest für Ihre in Straßburg lebenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mindestens bis zum 11. Mai so weitergehen wie bisher – wie ist Ihre persönliche „Halbzeitbilanz“ für die Universalschlichtungsstelle des Bundes?

FB: Da Sie eine persönliche Frage stellen: Erst einmal bin ich schrecklich dankbar, dass niemand von uns bislang von der Krankheit betroffen ist. Und wer dankbar ist, dem fällt es auch leichter, dass manches natürlich erstmal anstrengender war. Dankbar bin ich auch, ein Team zu haben, auf das einfach Verlass ist – und das seinerseits die Lage ernst nimmt und sich voller Kraft seiner Arbeit widmet.

Ich denke aber auch, dass wir uns nach der Krise zusammensetzen werden, um einmal festzuhalten, was wir Positives aus der Zeit mitnehmen und welche nun eingeübten neuen Arbeitsschritte weiterhin Sinn machen. Da Sie nach der Halbzeitbilanz fragen: ja, schon jetzt gibt es in bestimmten Bereichen der Arbeitsorganisation Neuerungen, die aus der Not geboren wurden, uns aber künftig sogar besser zusammen arbeiten lassen werden.

Felix Braun, vielen Dank für diese Einblicke!

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