Und wieder eine stressige Woche in Frankreich…

Frankreich steht gerade Kopf wegen der gewaltsam durchgedrückten Rentenreform und täglich gibt es nun unangemeldete, deutlich gewaltbereitere Demonstrationen und angemeldete Streiks.

Seit 2018 fast jedes Wochenende die gleichen Bilder aus Paris - die "Macronie" ist nicht unbedingt ein Segen für Frankreich. Foto: ScS EJ

(KL) – Frankreich erlebt unruhige Tage. Macron-Abgeordnete versuchen stammelnd das Unerklärliche, nämlich das Aushebeln des Parlaments durch den § 49.3 vor den Fernsehkameras zu erklären, wo sich schon gar kein Regierungsmitglied blicken lässt. Dabei befleißigen sie sich des gleichen Tonfalls wie ihr oberster Boss, sind abwechselnd aggressiv und beleidigend und versuchen vergeblich, den Franzosen klar zu machen, dass die Bevölkerung einfach zu dämlich ist, den Sinn und Nutzen dieser wunderbaren Reform zu erkennen. Doch diese peinlichen Auftritte von Hinterbänklern, die außerhalb ihrer Wahlkreise niemand kennt, heizen die ohnehin schon aufgeladene Stimmung nur noch weiter an. Dabei verändert sich rasend schnell die Physiognomie der Demonstrationen.

Seit dem 19. Januar hatten die Gewerkschaften 8 große Demonstrationen gegen diese Rentenreform organisiert, bei denen Millionen (!) Franzosen gegen die Reform und gegen die Regierung und den Präsidenten auf die Straße gingen. Dank eines von den Gewerkschaften hervorragend organisierten Ordnungsdienstes kam es zu keinen Zwischenfällen. Doch seit Donnerstag Abend ist das anders. Die Teilnehmer an den Demonstrationen, die spontan und ohne Anmeldung fast überall in Frankreich tâglich stattfinden, sind deutlich jünger und gewaltbereiter. So kommt es seit Donnerstag auch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, städtisches Mobiliar wird zerstört, Schaufenster werden beschmiert und hier und da eingeschlagen – die Proteste werden immer heftiger.

Schon mischen sich wieder die „Gelbwesten“ und „Black Blocks“ unter die Demonstrationen und das wird sich in den nächsten Tagen weiter intensivieren. So sagte auch ein Gewerkschaftler „unsere Aufgabe ist es nicht, die Arbeit der Polizei zu machen, unsere Aufgabe ist es, diese Rentenreform zu verhindern“. Das darf man durchaus als Drohung verstehen, dass man bei den nun kommenden Demonstrationen die gewaltbereiten Elemente in den Demonstrationen nicht mehr ausschließen wird.

Die Kommunikation der Regierung ist kaum noch zu qualifizieren und kaum ein Franzose glaubt noch den von den „Macronisten“ verbreiteten „Fake News“, nach denen die böse Opposition an diesem Chaos die Schuld trage. Im Gegenteil – fast 65 % der Franzosen wünschen sich, dass die ab heute Nachmittag in der Assemblée Nationale debattierten Mißtrauensvoten gegen die Regierungschefin Elisabeth Borne und die Rentenreform erfolgreich sein mögen – denn damit wäre die Rentenreform abgelehnt und eine hilflose und unglaublich inkompetent besetzte Regierung gestürzt. Fast 65 %!

Die Gewalt und der Zynismus seines politischen Handelns schlägt Emmanuel Macron nun in Form der Gewalt auf der Straße entgegen. Und diese Gewalt wird sich eine Weile lang täglich wiederholen, neue Aktionsformen werden auftauchen und das kann sehr lange so weitergehen. Das Tischtuch zwischen der „Macronie“ und den Franzosen ist zerschnitten, dem Präsidenten folgen nur noch eine Handvoll Jünger, doch die können nichts mehr daran ändern, dass die „Maronie“ am Ende ist. Man kann sein Volk nicht jahrelang belügen, beleidigen und geringschätzen. Schade, dass keiner der Ohrenbläser im Elysee-Palast den Mut hatte, seinem Chef zu sagen, wie es im Land tatsächlich aussieht.

Bereits heute wird man sehen, ob die Konservativen der LR die Regierungschefin Elisabeth Borne im Amt halten und damit die Rentenreform durchwinken (was für LR zur Folge hätte, dass sie in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwinden wird), oder aber ob das Parlament den Mut hat, diese Regierung zu stürzen.

Aber gleich, wie es heute ausgeht, diese Rentenreform wird Frankreich weiter in einer Phase der schweren Unruhen halten, wobei sich Macron die Frage stellen muss, ob dieses völlig sinnlose Armdrücken mit seinem Volk in Zeiten weltweiter Krisen wirklich so schlau war. Nun ist der Präsident bei seinem Volk unten durch, seine Regierung ebenfalls und das Beunruhigendste daran ist nicht etwa die Gewalt auf der Straße, sondern die Tatsache, dass dieser Zirkus bis 2027 weitergehen kann, denn dann erst endet Macrons zweite Amtszeit. Armes Frankreich.

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