Und wo bleibt der „Motor Europas“?

Deutschland und Frankreich feiern sich gegenseitig und zusammen bei jeder Gelegenheit als der „Motor Europas“. Aber der scheint einen Kolbenfresser zu haben…

Stolz künden die Fahnen vom Erfolg des "europäischen Motors". Aber der ist nicht mehr durch den TÜV gekommen... Foto: Baden de / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Morgen begibt sich Frankreich in einen ziemlich scharfen Lockdown, der Teil einer Anti-Covid-Strategie ist, die auf mehreren Pfeilern beruht. Lockdown, Ausgangssperren, Tests, Impfungen, Vermeidung sozialer Kontakte. Im Grunde genau die richtige Strategie, im Grunde genau das, was alle führenden Virologen momentan fordern, um den Kollaps des Krankenhaussystems und einen völligen Kontrollverlust über das Infektionsgeschehen zu vermeiden. Doch Frankreich steht alleine auf weiter Flur, das deutsche Binom des „europäischen Motors“ beschäftigt sich in der Zwischenzeit lieber mit den persönlichen Ambitionen der 16 Ministerpräsidenten, die sich einen Spaß daraus machen, Angela Merkel am Nasenring durch die Manege zu führen.

Es gibt Dutzende, ja hunderte deutsch-französischer Organisationen, Einrichtungen, Plattformen, Think Tanks, ja, selbst ein Deutsch-Französisches Parlament gibt es mittlerweile. Es wurden in den letzten Jahren sehr sinnvolle Instrumente für die deutsch-französische Zusammenarbeit geschaffen, wie der „Aachener Vertrag“, der bislang unbekannte Möglichkeiten der Zusammenarbeit eröffnet. Wie schade, dass diese zahlreichen Organisationen und Instrumente nicht ausreichen, um in einer Krise wie dieser Pandemie wenigstens ein Minimum an Zusammenarbeit hinzubekommen.

Das, was Frankreich gerade entschieden hat, hätte auch von Deutschland übernommen werden und auf die gesamte EU ausgeweitet werden müssen. Doch einmal mehr zeigt sich, dass speziell in Krisenzeiten die „europäische Solidarität“ ein rein theoretisches Konzept ist – die nationalen Scheuklappen verhindern, dass Europa gemeinsam einen aussichtsreichen Kampf gegen dieses Virus führt.

Was die 16 deutschen Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen gerade fabrizieren, das bewegt sich irgendwo zwischen absoluter Unfähigkeit, persönlichen Ambitionen, Klientelpolitik und schierem Amateurismus. – Jeder dieser 16 Lokalfürsten entscheidet selbstherrlich über Lockerungen, Öffnungen, Schließungen, Schulunterricht, Kontaktvorgaben. 16 Bundesländer, 16 Corona-Verordnungen, und selbst die Beschlüsse der inzwischen schon legendären Marathonsitzungen der Ministerpräsidenten-Konferenz werden nur solange eingehalten, wie die omnipotenten Ministerpräsidenten Lust haben, sich daran zu halten. Dass uns diese Haltung von diesen 16 Personen der Möglichkeit beraubt, einen echten Kampf gegen das Virus zu führen, ist ein Skandal, der später zu analysieren sein wird.

Die französische Regierung hat ein Jahr lang herumgestümpert wie viele andere Regierungen auch. Es wurde gelogen, dass sich die Balken biegen. Es wurden fast systematisch falsche Entscheidungen getroffen. Aber nach diesem Jahr des erfolglosen „Trial-and-Error“ hat die französische Regierung nun die richtigen Entscheidungen getroffen. Doch aufgrund des zum Stillstand gekommenen „europäischen Motors“ beschränken sich diese Maßnahmen eben nur auf Frankreich und werden am Ende dadurch zunichte gemacht, dass die Nachbarn bei diesen Maßnahmen nicht mitziehen.

Allerdings hat Frankreich sein Maßnahmen-Paket auch nicht auf dem „europäischen Markt“ angeboten. Die Situation wäre eine ganz andere, hätte man dieses Paket auf europäischer Ebene beschlossen und dann zeitgleich und gemeinsam umgesetzt – wir hätten eine echte Chance gehabt, diese Pandemie massiv zu bekämpfen.

Gibt es denn keine Abstimmungen zu diesen Fragen zwischen Paris und Berlin? Täglich sieht man Berichte von hochrangigen Videokonferenzen zwischen französischen und deutschen Politikern, die sich gegenseitig immer wieder versichern, wie toll doch die deutsch-französische Zusammenarbeit funktioniert. Aber sie funktioniert eben leider nicht. Der „europäische Motor“ hätte einen europäischen Aufbruch zu einer gemeinsamen Bekämpfung der Pandemie initiieren können. Doch dazu kommt es nicht. Und genau deswegen dürfen wir uns jetzt schon einmal auf ein paar Jahre des Lebens in dieser Pandemie einstellen, mit allen Konsequenzen. Und das wirft dann eine weitere Frage auf: Wozu brauchen wir diese zahlreichen deutsch-französischen Einrichtungen mit ihren Tausenden Mitarbeitern, wenn die deutsch-französische Zusammenarbeit ausgerechnet dann nicht funktioniert, wenn man sie wirklich braucht?

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