Und wo gehen die Holländer jetzt wohl einkaufen?

Die fast vollständige Lockdown der Niederlande bis zum 14. Januar wird, wie alle isolierten Maßnahmen, nicht viel bringen. Außer einer weiteren Radikalisierung der Bevölkerung.

Vielleicht sollte man in den Nachbarländern der Niederländer jetzt schnell solche Hinweise anbringen... Foto: Edoderoo / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Niederländer ziehen die Reißleine. Regierungschef Mark Rutte hat einen sehr scharfen Lockdown für das Land verhängt, mitten hinein in die letzten Vorbereitungen für die Feiertage und das bis zum 14. Januar. Praktisch das gesamte öffentliche Leben ist lahmgelegt, bis auf Geschäfte für den täglichen Bedarf bleibt alles geschlossen und wie immer ist auch dieser Lockdown mit keinem Nachbarn abgestimmt und natürlich nicht mit den Maßnahmen der Nachbarn harmonisiert. Nur die Mobilität der Menschen ist weiterhin sichergestellt und nun die Gretchenfrage: Wohin werden in den kommenden Wochen die Holländer fahren, um einzukaufen oder auch nur diesem scharfen Lockdown zu entfliehen?

Richtig – angesichts der Tatsache, dass man praktisch von jedem Punkt der Niederlande in maximal 2 Stunden ins Ausland fahren kann, werden viele Holländer diese Möglichkeit nutzen. Geschäfte geschlossen in Rotterdam oder Breda? Kein Problem, ab ins belgische Antwerpen oder nach Brüssel! Kein Cafébesuch in Maastricht oder Arnheim? Dann eben schnell nach Aachen oder Köln! Angesichts der zahllosen Grenzposten ist es ein Kinderspiel, dort die jeweilige Grenze zu überqueren, wo gerade nicht kontrolliert wird und sei es, dass die Holländer über die „grüne Grenze“ fahren.

Dass die europäischen Regierungen vor dem „Omikron“-Variant zittern, das ist nachvollziehbar. Weniger nachvvollziehbar sind allerdings die panisch getroffenen Maßnahmen, die überall anders ausfallen und sich wie seit zwei Jahren häufig gegenseitig aufheben. Dort, wo andere Regierungen mit „Empfehlungen“ arbeiten, aber gleichzeitig ihre Weihnachtsmärkte und Fußballstadien für Massenveranstaltungen offen halten, will Mark Rutte sein Land für die kommenden drei Wochen komplett lahmlegen. Nur – das wird nicht klappen. Denn jetzt, wo faktisch alle Zeit haben, werden sich die Menschen ins Auto setzen und eben dorthin fahren, wo das erlaubt ist, was bei ihnen verboten wurde. So läuft das seit zwei Jahren an jeder europäischen Grenze, wo man sorgsam darauf achtet, diese offen zu halten, damit die Bevölkerung nicht wieder durchdreht.

Momentan verhängen fast alle europäischen Regierungen beinahe im Tagesrythmus neue Regelungen, die zum einen niemand mehr versteht und die zum anderen ohne jedes Problem umgangen werden können. Aber zur Erkenntnis, dass diese Maßnahmen nur dann eine Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie zumindest zwischen den jeweiligen Nachbarn, idealerweise auf europäischer Ebene abgestimmt und harmonisiert werden, reicht es auch nach zwei Jahren immer noch nicht. Seien wir ehrlich – Europa versagt in dieser Krise auf der ganzen Linie, auch, wenn die politisch Verantwortlichen nicht müde werden, sich selbst für das „hervorragende Management der Krise“ selbst zu beglückwünschen.

Die Beispiele für die Hilflosigkeit all dieser Maßnahmen sind zahlreich. Was nützte die Schließung der Weihnachtsmärkte in Baden-Württemberg, wo doch so viele Menschen aus dem Ländle problemlos auf die Weihnachtsmärkte im Elsass fahren konnten? Was nützen sich permanent ändernde Einreisebestimmungen, wenn diese weder eingehalten, noch kontrolliert werden können? Was nützt die Schließung von Geschäften, wenn die Kunden lediglich ein paar Kilometer weiter ins Nachbarland fahren können und dann eben dort die Geschäfte fluten?

Einen einzigen sinnvollen Effekt wird der niederländische Lockdown haben – es werden bis zum 14. Januar kaum Touristen aus dem Ausland nach Holland fahren, da man dort eben bis zum 14. Januar nichts unternehmen und nicht mal einen Kaffee trinken kann. Doch das Einschleppen neuer Virus-Varianten übernehmen dann eben nicht Touristen aus dem Ausland, sondern die Holländer selbst, wenn sie aus dem Ausland wieder nach Hause fahren.

Je länger diese Krise dauert, desto unverständlicher wird es, dass sämtliche Regierungen in Europa immer noch davon ausgehen, dass diese weltweite Pandemie mit immer virulenteren Virus-Varianten auf nationaler Ebene gestoppt werden kann, während man gleichzeitig alles unternimmt, die Zirkulation des Virus weiter zu ermöglichen. 35 % der Europäerinnen und Europäer leben in Grenzregionen und die Mobilität in diesen Grenzregionen ist völlig ausreichend, die Propagation des Virus auch im Landesinneren sicherzustellen.

Es wird immer rätselhafter, warum die Regierungen den einzig Erfolg versprechenden Ansatz, nämlich die Abstimmung und Harmonisierung der jeweiligen Maßnahmen nicht einmal in Angriff nehmen. Wäre das Ziel, die Pandemie möglichst lange andauern zu lassen, würde man sich nicht anders verhalten… Freuen wir uns also in den kommenden Wochen auf jede Menge Besuch aus Holland und stellen wir uns schon mal darauf ein, dass wir noch lange, lange Zeit zwischen sinnlosen Maßnahmen, scharfer Repression, aber auf jeden Fall, in Begleitung dieses Virus und seiner existierenden und künftigen Varianten leben werden. Und herzlichen Dank an die Regierungen Europas, die durch ihre Weigerung zur Zusammenarbeit zumindest dafür sorgen, dass wir eine echte Chance haben, das Weihnachtsfest 2022 unter noch übleren Bedingungen zu feiern…

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