Und wo stehen die deutsch-französischen Beziehungen wirklich?

Gestern wurde der „Tag der deutsch-französischen Freundschaft“ gefeiert. Doch statt in die allgemeinen Jubelarien einzustimmen, werfen wir lieber einen Blick auf den aktuellen Stand der Beziehungen.

22. Januar 1963 - Charles de Gaulle und Konrad Adenauer unterzeichnen den Elysee-Vertrag. Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-P106816 / Unknown author / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Der „Tag der deutsch-französischen Freundschaft“, mit dem jedes Jahr die Unterzeichnung des Elysee-Vertrags 1963 und des Aachener Vertrags 2019 gefeiert wird, ist immer eine schöne Gelegenheit, dass sich alle gegenseitig auf die Schulter klopfen und versichern können, wie toll der deutsch-französische „europäische Motor“ doch rundläuft. Aber funktionieren die deutsch-französischen Beziehungen wirklich so gut, wie das die Politik an jedem 22. Januar verkündet?

Leider nicht. Die enormen Möglichkeiten, die die beiden erwähnten Verträge bieten, werden bis heute nicht genutzt. Gewiss, die Pandemie hat grenzüberschreitende Beziehungen deutlich erschwert, doch wäre es gerade in dieser Krisenzeit mehr als sinnvoll gewesen, hätte man die Vorkehrungen des Aachener Vertrags (der faktisch eine Erweiterung des Elysee-Vertrags darstellt) genutzt, um beispielsweise gemeinsam medizinische Ressourcen zu managen, um diee getroffenen Maßnahmen zu harmonisieren, um gemeinsame Strategien zum Nutzen der Menschen zu entwickeln. Doch das hat man nicht getan.

Dafür hat man am Oberrhein mit der Planung einer „Kommunikations-Struktur“ für künftige Pandemien (!) begonnen, als ob man den Gedanken, die aktuelle Pandemie gemeinsam zu bekämpfen, bereits aufgegeben habe. Zwei Jahre lang weigerten sich unsere Administrationen, über die Möglichkeit einer gemeinsamen Bekämpfung der Pandemie überhaupt nur nachzudenken, was inzwischen selbst der amerikanische Immunologe und Präsidentenberater Anthony Fauci deutlich kritisiert hat.

Die deutsch-französische Freundschaft muss von konkreten Dingen leben, die den Menschen in der deutsch-französischen Grenzregion und darüber hinaus echte Vorteile bringen. Doch seit vielen Jahren beschränkt sich diese deutsch-frannzösische Zusammenarbeit auf politischer Ebene auf Sonntagsreden, auf Büffets und das gegenseitige Umhängen von Medaillen und anderen Ehrungen, die in der Bevölkerung, ehrlich gesagt, niemanden interessieren.

Die Frage der Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen ist eine Frage der Ambition. Und hier müssen die zahllosen Akteure eine deutliche Schippe drauflegen. Viele der (gut funktionierenden) deutsch-französischen Initiativen gehen auf die Zivilgesellschaft zurück, die häufig von den Verwaltungen nicht etwa gefördert, sondern erschwert wird, obwohl es so zahlreiche Möglichkeiten gäbe, hier dynamischer zu agieren.

Wünschen wir uns also, dass die deutsch-französische Freundschaft ambitionierter, dynamischer und weniger bïurokratisch wird. Denn die Grundaussage, dass Europa nur dann funktinieren kann, wenn die „deutsch-französische Lokomotive“ Fahrt aufnimmt, ist natürlich richtig. Was wir in den deutsch-französischen Beziehungen heute brauchen, ist eine Spur weniger Selbstzufriedenheit und dafür eine Spur mehr Dynamik und Willen, diese Beziehungen proaktiv zu entwickeln. Angesichts der Tatsache, dass wir über alle erforderlichen Instrumente hierfür verfügen, sollte das doch eigentlich klappen!

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