Urlaub: Türkei oder Nordkorea?

Der Tourismus-Beauftragte der Bundesregierung Thomas Bareiß kündigt an, dass man wohl bald wieder Urlaub in der Türkei machen kann. Aber wer will das schon?

Antalya ist so schön wie die ganze türkische Riviera. Aber jeder Cent, den man dort ausgibt, stützt das Regime Erdogan. Foto: Dat Doris / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Bislang gilt eine Reisewarnung der Bundesregierung für die Türkei. Doch diese könnte bereits in den nächsten Tagen aufgehoben werden, was dann Reisen in die Türkei wieder möglich macht. Zumindest für diejenigen, die Lust haben, ein totalitäres Regime zu finanzieren, das nach wie vor einen schmutzigen Krieg gegen die Kurden führt, eine seltsame Rolle in Syrien spielt und gerne Menschen verhaftet, die sich beispielsweise in den sozialen Netzwerken kritisch zum Machthaber Erdogan geäußert haben.

Offenbar sind die von der türkischen Regierung veröffentlichen Infektionszahlen gering genug, dass die Reisewarnung der Bundesregierung aufgehoben werden kann. Ob die Zahlen stimmen, ob die Schutzmaßnahmen vor Ort ausreichend sind, ob im Problemfall eine ausreichende Struktur für Pflege und eventuell Rücktransport existiert, all das wird man sehen müssen. Und auch, wenn die sanitären Fragen geklärt sind, sollte man sich durchaus die Frage stellen, ob ein Urlaub in der Türkei in Ordnung ist oder nicht.

Die Türkei ist momentan ein absolut undurchschaubares Land. Machthaber Erdogan sucht verzweifelt Anschluss an internationale Strukturen, doch scheiterte er bei der Union der Afrikanischen Staaten ebenso wie bei der Konferenz der arabischen Staaten. Seitdem versucht er es mal mit Putin, dann wieder ohne Putin, er schickt Truppen nach Nordsyrien und bis nach Libyen, er führt einen Vernichtungskrieg gegen die Kurden und ist zum Unsicherheitsfaktor in der NATO geworden. Grenzverletzungen zu Griechenland, Erpressungsversuche gegenüber der EU in der Flüchtlingsfrage – all das sind Gründe, die eher für einen Urlaub im Schwarzwald als an der türkischen Riviera sprechen. Wem solche Überlegungen egal sind, der könnte auch die Reiseprospekte für Nordkorea durchblättern.

Ist Urlaub in einem Land, das sich so verhält und immer noch zahlreiche Künstler, Journalisten und Oppositionelle in Haft hält, wirklich nötig und richtig? Wer Mittelmeersand unter den Füssen spüren möchte, hat viele Alternativen. Zum Beispiel in Griechenland, Italien oder Südfrankreich, also in Ländern, in denen man im Urlaub kein totalitäres System unterstützt.

„Ach, man sollte ein Land wie die Türkei nicht boykottieren, da trifft man ja nur die einfachen Menschen, die nichts für die Politik ihres Landes können“, sagen manche. Doch das stimmt nur zum Teil, denn immerhin war es die türkische Bevölkerung, die Erdogan quasi einen Blankoscheck ausgestellt hat.

In der aktuellen Lage und ganz unabhängig von der sanitären Krise wäre es sinnvoller, seinen Urlaub in einem EU-Land zu verbringen, das unsere Solidarität deutlich nötiger hat als die Türkei. Und sollte jemand in der Vergangenheit mal etwas Kritisches über Erdogan in den sozialen Netzwerken gepostet haben, dann sollte sich die Person sehr gut überlegen, ob sie wirklich in die Türkei möchte. Eine Verhaftung am Flughafen könnte aus den kostbarsten Wochen des Jahres schnell einen nicht gewünschten Abenteuerurlaub machen. Um sich davon ein Bild zu machen, empfiehlt es sich, den Film „Midnight Express“ anzuschauen…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste