Ursula Von der Leyen baut sich eine neue Kommission

Mit der neuen Struktur, welche die neue Präsidentin der Europäischen Kommission ihrer Institution geben will, setzt Ursula von der Leyen ein positives und ambitioniertes Zeichen – für mehr Veränderung.

Ursula von der Leyen hat eine interessante, neue Kommission zusammengestellt. Die muss aber erst noch bestätigt werden. Foto: (c) (c) Europäische Kommission 2019

(KL) – Gestern hat die neue Präsidentin der Europäischen Kommission ihr neues Team vorgestellt, das nun erst von den zuständigen Kommissionen des Europäischen Parlaments in jeweils dreistündigen Anhörungen als Kandidaten bestätigt werden müssen, bevor dann die Vollversammlung des Parlaments für oder gegen die neuen Kommissare stimmen muss. Interessant ist die stark themenbezogene neue Struktur der Kommission und ebenso war die Rede, mit der die neue Präsidentin ihre künftigen Kolleginnen und Kollegen ansprach: „Vergessen Sie nicht, ab heute sind Sie Europäer und haben nur im Interesse Europas zu handeln“ – eine klare Absage an die neonationalistischen Strömungen in vielen europäischen Ländern. Einige der Besetzungen der Kommissars-Posten beinhalten starke politische Statements und die Bezeichnungen einige der Portefeuilles stimmen nachdenklich. Auf jeden Fall – ein starker Start, der im Erfolgsfall die Ära Juncker vergessen machen kann.

Für die wichtigsten Themen der neuen Amtszeit schafft Von der Leyen eine neue; mit zahlreichen Kompetenzen ausgestattete Berufsbezeichnung – die „Executive Vice Presidents“, die für ihre jeweiligen Themenbereiche mehr Verantwortung tragen. Diese neuen „Executives Vice Presidents“ sollen den jeweiligen Themen mehr Gewicht verleihen und nehmen gleichzeitig die zuständigen Kommissare stärker in die Pflicht, Ergebnisse zu liefern. Schauen wir uns die einzelnen Ressorts an:

Der neue Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik ist als „Außenminister“ der EU und Nachfolger der blassen und nicht immer glücklich agierenden Federica Mogherini – der Spanier Josep Borrell aus Spanien, der als Vizepräsident mit diesem Posten eine Sonderstellung einnimmt.

Von den insgesamt acht Vizepräsidenten-Posten sind drei „exekutive Vizepräsidenten“, die eine doppelte Funktion haben. Sie sind als Vizepräsidenten für eines der drei zentralen Themen der Agenda der gewählten Präsidentin zuständig und gleichzeitig Kommissionsmitglieder. Frans Timmermans (Niederlande) wäre selber fast Kommissions-Präsident geworden und die ehemalige Nummer zwei von Jean-Claude Juncker soll die Arbeiten am europäischen „Grünen Deal“ koordinieren und mit Unterstützung der zuständigen Generaldirektion die Klimapolitik leiten.

Ebenfalls exekutive Vizepräsidentin ist Margrethe Vestager (Dänemark), die auch lange als Kandidatin für den Chefposten gehandelt wurde und die nun die gesamte Agenda für ein Europa, das für das digitale Zeitalter gerüstet ist, koordinieren und als Kommissarin mit Unterstützung der zuständigen Generaldirektion für den Wettbewerb zuständig sein. In ihre Zuständigkeit werden auch die heiklen Fragen im Umgang mit den GAFA fallen.

Der dritte exekutive Vizepräsident ist Valdis Dombrovskis (Lettland) – mit der vielversprechend klingenden Aufgabe, die Arbeiten für die Wirtschaft im Dienste der Menschen zu koordinieren und als Kommissar für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion für Finanzdienstleistungen zu wirken. Dieser Sektor wird im Fall des Brexit sehr wichtig werden, da sich die Finanzmärkte neu ordnen und dazu Gegenstand einer grundsätzlichen Hinterfragung sein müssen.

Die fünf anderen Vizepräsidenten sind:

Josep Borrell (Spanien) – „EU-Außenminister“. Das Konfliktpotential für diesen Kandidaten liegt darin, dass Spanien die Katalonien-Frage nicht gelöst hat und im Falle des Brexit einen diplomatischen Konflikt mit Großbritannien wegen der Gibraltar-Frage auf sich zukommen sieht.

Věra Jourová (Tschechische Republik) – Im Ressort Justiz und Verbraucherschutz hat Jourova in der letzten Kommission einen guten Job gemacht. Im neuen Ressort „Werte und Transparenz“ soll die Tschechin neue Kommunikationsdrähte zu den Visegrad-Staaten aufbauen, denn als Staatsangehörige eines dieser vier Länder dürfte es ihr einfacher fallen, mit diesen Ländern zu kommunizieren als anderen. Eine interessante Wahl, die darauf abzielt, die sich immer weiter von Europa entfernenden Länder Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn und Polen wieder auf die Spur der europäischen Werte zu bringen.

Margaritis Schinas (Griechenland) – Sein Ressort heißt „Schützen, was Europa ausmacht“ und in dieses Ressort soll unter anderem die Frage des Umgangs mit der Immigration fallen. Dies führt zum Verdacht, dass sich die Kommission eine Art Heimatministerium gibt, das die Festung Europa ausbaut. Ob es das ist, was Europa ausmacht, ist allerdings mehr als fraglich.

Maroš Šefčovič (Slowakei) soll sich um die Interinstitutionellen Beziehungen und „Vorausschau“ kümmern, wobei man gespannt sein darf, was das genau beinhalten soll.

Dubravka Šuica (Kroatien) soll Vizepräsidentin für „Demokratie und Demografie“ werden, Themen, mit denen manch europäisches Land seine Probleme hat.

Die weiteren designierten Kommissionsmitglieder sind:

Johannes Hahn (Österreich) – „Haushalt und Verwaltung“

Didier Reynders (Belgien) – „Justiz“

Mariya Gabriel (Bulgarien) – „Innovation und Jugend“

Stella Kyriakides (Zypern) – „Gesundheit“

Kadri Simson (Estland) – „Energie“

Jutta Urpiainen (Finnland) – „Internationale Partnerschaften“

Sylvie Goulard (Frankreich) – „Binnenmarkt“

László Trócsányi (Ungarn) – „Nachbarschaft und Erweiterung“. Der ehemalige Justizminister Ungarns ist allerdings DER Wackelkandidat, da er unter Viktor Orban massiv daran mitgewirkt hat, den Rechtsstaat in Ungarn auf den Kopf zu stellen.

Phil Hogan (Irland) – „Handel“. Diese Besetzung ist ein genialer Schachzug. Der Ire wird im Fall des Brexit dafür zuständig sein, den Handel zwischen Grossbritannien und der EU neu zu organisieren.

Paolo Gentiloni (Italien) – „Wirtschaft“. Noch ein schlauer Schachzug. Der Kommissar aus Italien wird auf die Einhaltung der Haushaltskriterien zu achten haben, wobei den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten und Außenminister scharfe Diskussionen mit seinem Heimatland erwarten.

Virginijus Sinkevičius (Litauen) – „Umwelt und Ozeane“

Nicolas Schmit (Luxemburg) – „Arbeitsplätze“. Hoffentlich wird er sich nicht nur um die Arbeitsplätze in der luxemburgischen Steuervermeidungs-Industrie kümmern…

Helena Dalli (Malta) – „Gleichstellung“

Janusz Wojciechowski (Polen) – „Landwirtschaft“

Elisa Ferreira (Portugal) – „Kohäsion und Reformen“. Klingt nicht nach viel, dürfte aber eines der heißen Themen werden. „Kohäsion“ bedeutet Zusammenhalt und der ist in der EU gerade stärker gefährdet als je zuvor.

Rovana Plumb (Rumänien) – „Verkehr“. Sie wird es also sein, die den deutschen und anderen Autobauern die SUVs austreiben und neue, umweltfreundlichere Verkehrsrealitäten schaffen soll.

Janez Lenarčič (Slowenien) – „Krisenmanagement“. Auch das könnte ein recht arbeitsintensiver Job werden…

Ylva Johansson (Schweden) – „Inneres“

Einige der Besetzungen der Ressorts sind in der Tat spannend und nun mit Kommissarinnen und Kommissaren besetzt, die echte Fachkompetenz und auch die erforderlichen kulturellen Kompetenzen besitzen, um in ihren Ressorts echte Fortschritte zu erzielen. Man wird sehen, ob es der ungarische Kandidat schafft, denn seine Rolle im Orban-Regime ist kein Pluspunkt für seine Bewerbung. Etwas nachdenklich stimmt, dass es keinen Vizepräsidenten-Posten für Frankreich gibt – deutet das auf Spannungen zwischen Paris und Berlin hin?

Wenn die Kandidaten und Kandidatinnen vom Europäischen Parlament bestätigt werden, nimmt diese neu strukturierte und inhaltlich neu aufgestellte Kommission am 1. November ihre Arbeit auf. Ursula von der Leyen scheint ehrgeizige Ziele für die kommende Amtszeit zu haben – für die Arbeit ihrer Kommission kann man ihr nur alles Gute wünschen. Alleine schon in unserem Interesse…

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