„Vergewaltigung ist eine Kriegswaffe, die unsere gemeinsame Menschlichkeit zerstört“

Der kongolesische Gynäkologe Denis Mukwege erhielt gestern im Europäischen Parlament den „Sacharov-Preis“. Eine Ermutigung für den Kampf gegen sexuelle Gewalt.

Dr. Denis Mukwege und Martin Schulz bei der Verleihung des Sacharov-Preises. Foto: (c) Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Vergewaltigungen sind in der gesamten Geschichte der Menschheit ein schreckliches Instrument der Kriegsführung. Ob in den Konzentrationslagern im Konflikt um das ehemalige Jugoslawien, ob in der Republik Kongo während des Bürgerkriegs, ob durch den IS und andere fundamentalistische Gruppen – überall, wo Männer Krieg führen, werden Frauen massenhaft vergewaltigt. Daher ist die Verleihung des Sacharov-Preises an Denis Mukwege ein Zeichen, dass die internationale Gemeinschaft gewillt ist, gegen diesen Horror vorzugehen. Doch fehlt es nach wie vor an Strategien und einem gemeinsamen Vorgehen – weswegen es immer noch nötig ist, Helden wie Denis Mukwege auszuzeichnen.

Erstaunlich ist, dass jemand wie Mukege, der die Abgründe menschlichen Verhaltens tausendfach erleben musste und der einen fast einsamen Kampf für die Grundrechte von Frauen führt, so optimistisch ist. „Vergewaltigung ist eine Kriegswaffe, die unsere gemeinsame Menschlichkeit zerstört. Unser Land ist krank“, sagte er gestern im Europäischen Parlament in Straßburg, „doch zusammen mit unseren Freunden, können und werden wir es heilen können!“ Da verstand man auch den Präsidenten des Hauses Martin Schulz, der mit Mukwege einen Mann auszeichnete, „der für die Würde der Frau kämpft, für Gerechtigkeit und den Frieden in seinem Land.“

Doch kann der Kampf gegen diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht von Einzelkämpfern erfolgreich geführt werden. Ohne internationale Konzepte, die allgemeine Ächtung solcher Praktiken, wird es schwer werden, blutrünstige und jeder menschlichen Konvention entrückte Kriminelle davon zu überzeugen, diese menschenverachtende Kriegsstrategie einzustellen.

Denn in den Augen der Vergewaltiger ist die Vergewaltigung ein unglaublich wirkungsvolles Mittel zur völligen Demoralisierung eines Kriegsgegners. Nicht nur, dass die weibliche Bevölkerung in Kriegsgebieten nachhaltig traumatisiert wird, auch die Männer werden geschädigt und durch viele ungewollte Schwangerschaften nach Vergewaltigungen wird der Hass in neue Generationen getragen.

Leider reicht es nicht aus, solche Praktiken einfach zu verbieten – denn natürlich sind Vergewaltigungen verboten, überall auf der Welt. Doch in Kriegssituationen hält sich niemand an die Gesetze und in der Regel meinen „Gewinner“ von Kriegshandlungen, dass ihnen das Recht zuwächst, die Frauen des Kriegsgegners zu vergewaltigen.

In der Republik Kongo, dem Land von Dr. Denis Mukwege, wurden im östlichen Teil des Landes während des dortigen Bürgerkriegs Tausende Menschen vergewaltigt – wovon sich der Kongo erst in Jahrzehnten erholen wird. Die Preisverleihung an Dr. Mukwege ist daher natürlich ein richtiges Zeichen, aber eben auch noch nicht mehr als ein Zeichen. In den internationalen Organisationen herrscht Ratlosigkeit, wie man dem Problem begegnen kann – und niemand hat ein Konzept. Wie verbietet man Verbrechern, Verbrechen zu begehen? Dass Vergewaltigung ein krimineller Akt ist, der durch nichts zu rechtfertigen ist, das weiß auch jeder Vergewaltiger. Doch das Aufheben zivilisatorischer Konventionen in Kriegssituationen, gekoppelt mit dem Gefühl der Allmacht und der Straflosigkeit, führt immer wieder dazu, dass bewaffnete Kämpfer auf brutalste Weise das Recht brechen. Auch spätere Strafen schrecken die Täter nicht ab, weswegen die internationale Gemeinschaft ganz neue Wege finden muss, um hier Fortschritte zu erzielen. Vielleicht ist der Sacharov-Preis für Dr. Denis Mukwege ein Anstoß für eine neue Initiative in diese Richtung. Als solcher ist er sicher auch gemeint.

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