Verjüngungskur für die französischen Konservativen

Die konservative Partei Frankreichs „Les Républicains“ (LR) will und muss sich neu erfinden. Denn ebenso wie die Sozialisten bewegen sie sich in Richtung Bedeutungslosigkeit.

Der selbsternannte Favorit für den Parteivorsitz der Konservativen in Frankreich, Christian Jacob. Foto: Jean-François Bernard / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Der Elektroschock war das Ergebnis der konservativen Partei Frankreichs „Les Républicains“ (LR) bei der Europawahl im Mai 2019. Mit 8,48 % der Stimmen konnte man zwar das Schlimmste gerade noch verhindern, aber der Trend geht für LR ebenso wie für die Sozialistische Partei (PS) weiter in den Keller. Um das Aussterben der Dinosaurier der französischen Parteienlandschaft zu verhindern, wollen sich die Konservativen nun mit einer neuen Parteispitze ein neues Image verpassen. Gestern lief die Frist für die Einreichung der Kandidaturen für den Parteivorsitz ab – und im Oktober werden die Parteimitglieder dann entscheiden, wer die Nachfolge von Laurent Wauquiez antreten wird, der seiner Partei mit seinen Ausflügen in rechtsextreme Positionen massiv beschädigt hat. Mit Christian Jacob, Julien Aubert und Guillaume Larrivé treten drei Kandidaten an, die selbst in Frankreich kaum jemand kennt.

Die beiden ehemaligen Volksparteien, die sich bis 2017 mehrere Jahrzehnte an der Regierung abgewechselt haben, also die Konservativen und die Sozialisten, haben ein gemeinsames Problem, aber auch eine gemeinsame Hoffnung. Das Problem ist, dass sie niemand mehr wählt, die gemeinsame Hoffnung liegt darin, dass die Franzosen derart mit ihrer aktuellen Regierung unzufrieden sind, dass es schon bei den nächsten Wahlen einen Bedarf an Alternativen sowohl zu Emmanuel Macron, als auch zur Rechtsextremen Marine Le Pen geben muss. Da es in Frankreich aufgrund des direkten Wahlrechts praktisch keine Chance für das zeitnahe Entstehen neuer politischer Parteien gibt, wittern LR und PS bereits während ihres Absturzes schon wieder Morgenluft.

Daher versuchen nun beide Parteien, sich komplett umzukrempeln. Die PS hat sich in die Hand eines Pariser Thinktanks um den Philosophensohn Raffael Glücksmann begeben, der allerdings schon wieder ins Europaparlament abgeschwirrt ist und daher nicht mehr in die nationale Politik wirken wird. Bei der konservativen LR geht man nun auch den Weh der Verjüngung, nachdem die Partei durch Sarkozy, den schon fast sicher geglaubten Präsidenten François Fillon (der auf der Zielgeraden durch private Skandale noch von Emmanuel Macron ausgebremst wurde) und zuletzt Laurent Wauquiez fast am Abgrund gelandet war.

Wer sind nun die drei Kandidaten, von denen einer ab Oktober die Operation „zurück zur Volkspartei“ leiten soll?Christian Jacob, ist Fraktionschef von LR im französischen Parlament. In einem Parlament, das keine Koalitionen und folglich auch keine Verhandlungen zwischen den Fraktionen kennt, ist dieser Job eher sehr diskret. Jacob, der behauptet, dass die Mehrheit seines Parteiapparats hinter ihm steht, bietet einen Vorteil, der gleichzeitig ein Nachteil ist – er kennt den Parlamentsbetrieb und die Abläufe hinter den Kulissen wie kaum ein anderer. Der 59jährige war dreimal Minister unter Jacques Chirac, für Familie, Handel und den Öffentlichen Dienst. Doch diese Erfahrung ist gleichzeitig auch sein Malus – Jacob gehört definitiv zur Generation von Politikern, die den Karren für LR an die Wand gefahren haben. Ob ein der selbsternannte Favorit und Vertreter des Niedergangs der Partei der Richtige ist, diesen Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen?

Für einen Generationswechsel würde da schon eher Julien Aubert stehen, der in der Eliteschule ENA im gleichen Jahrgang war wie Präsident Macron und folglich auch 41 Jahre alt ist. Doch gehört Aubert zum ganz rechten Rand von LR, nahe an der Grauzone zum rechtsextremen Rassemblement National (vorher: Front National) und nachdem die Partei gerade erst Laurent Wauquiez losgeworden ist, kann man sich nur schwer vorstellen, dass die Partei erneut einen Vertreter dieses weit rechten Flügels an die Spitze stellt. Überflüssig zu sagen, dass Julien Aubert in Frankreich außer einer Handvoll Eingeweihter niemandem bekannt ist.

Der in Mulhouse geborene Guillaume Larrivé ist der Sunnyboy unter den Kandidaten. Der 42jährige ist ebenfalls ENA-Absolvent und sorgte gerade erst für Aufmerksamkeit, als er als einer der Leiter der Untersuchungskommission im Fall Benalla (der rätselhafte Leibwächter und Freund des Präsidenten, der trotz zahlreicher Verfahren immer noch nicht behelligt wird und in zahlreiche Skandale verwickelt ist) das Handtuch warf und dafür „Druck aus dem Elysee-Palast“ anführte.

Nach einer gehobenen Beamtenlaufbahn in verschiedenen Ministerien wurde er 2012 selbst Abgeordneter, der bei vielen Vereinen und Verbänden allerdings sehr unbeliebt ist, das er im Parlament als juristischer Supervisor für Ausweisungen aus dem Land zuständig ist – eine Zielscheibe für den Zorn aller, die mit der Asylpolitik des Landes nicht einverstanden sind. Bei den 8,48 % der Wähler, die LR noch treu sind, ist das sicherlich ein Pluspunkt, doch um Neuwähler zu begeistern, wird das nicht reichen. Allerdings ist Larrivé auch der einzige, der seine Partei laut und offen auffordert, sich auf die Zeit „nach Macron“ einzurichten.

Keine einzige Kandidatin, alle drei Kandidaten würdige Vertreter des politischen Establishments, also der „alten Welt“, gegen die Frankreich gerade auf die Straße geht. Ein echter Neuanfang könnte auch anders aussehen, um vielleicht etwas glaubwürdiger zu wirken. Aber so geht es eben in Parteien. „Neuanfang“ bedeutet, dass die zweite Reihe eine Chance in der ersten Reihe bekommt. Da aber die „zweite Reihe“ per Definition eine treue Stütze der jeweiligen ersten Reihe ist, besteht sie aus Personen, von denen man wenig anderes als die Fortführung der bisherigen Politik erwarten kann.

Im Oktober wissen wir mehr – es könnte die letzte Chance für LR werden, noch einmal ins politische Rennen Frankreichs zurückzukehren.

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