Verkehrte Welt
Die Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ sind ins Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft München geraten. Diese ermittelt wegen des Verdachts der Gründung einer „kriminellen Vereinigung“.
(KL) – Langsam drehen alle durch. Bei einer bundesweiten Razzia gegen Mitglieder der Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ wurde der hilflose Umgang des Staats mit seiner Jugend deutlich. Mal ernsthaft – der Paragraph 129 wurde nicht für Jugendliche geschaffen, die sich in friedlichem, manchmal etwas nervigem Protest gegen die Zerstörung des Planeten aufgrund der Profitgier des groβen Kapitals auflehnen, sondern für Terroristen und das organisierte Verbrechen. Dass nun Klima-Aktivisten auf diese Art kriminalisiert werden, mag ein Triumph der Schreibtischtäter sein, doch letztlich ist es der Offenbarungseid von Politik und Gesellschaft. Denn beide trauen sich nicht, die wirklich Kriminellen ins Fadenkreuz zu nehmen, diejenigen, die unsere Welt vergiften, die Korruption zum Staatsdogma gemacht haben und denen die Zukunft der jungen Generationen völlig egal ist.
Der Aufwand, mit dem der Staat gegen die jugendlichen „Kleber“ vorgeht, ist unglaublich. 170 Beamte nahmen in sieben Bundesländern an der Razzia gegen die „Letzte Generation“ teil und man würde sich wünschen, die Behörden würden einen vergleichbaren Eifer an den Tag legen, wenn es darum geht Umweltsünden und Korruption zu verfolgen. Doch dadurch, dass die „Letzte Generation“ in diesem Monat Mai teilweise den Verkehr in Berlin lahmgelegt hat, hat sie in Teilen der Bevölkerung und der Behörden Schnappatmung ausgelöst. Doch diese Reaktion beinhaltet auch eine Nachricht an die Jugend Deutschlands und der Welt: Eure Sorgen interessieren uns nicht, denn uns geht es einzig und allein um Gewinnmaximierung, selbst wenn das die Zukunft dieses Planeten ruiniert.
Ist es denn so schwer zu verstehen, wie sich die Welt heute jungen Menschen präsentiert? In Frankreich plant die Regierung gerade, jährlich bis zum Jahr 2100 immerhin 2,3 Milliarden Euro zu investieren, um das Land für eine Klimaverschärfung von 4 Grad (!) bis 2100 vorzubereiten. Darauf, dieses Geld in das Erreichen der vollmundig verkündeten Klimaziele zu stecken, kommt man allerdings nicht. Klar, denn die 2,3 Milliarden Euro jährlich kann man ja so in die Industrie investieren, dass auch die Geldgeber der Politik daraus ihren Vorteil ziehen können. Ansonsten werden Klimaziele grundsätzlich nicht umgesetzt, sondern lediglich immer weiter verschärft, ohne dass Maβnahmen getroffen werden, die Klimakatastrophe zu verhindern.
Was also bieten Gesellschaft und Behörden jungen Menschen als Handlungs-Alternativen an? Seit Jahrzehnten gehen die Menschen friedlich demonstrieren, seit Jahrzehnten finden Klimakonferenzen und andere Alibi-Veranstaltungen statt, doch passiert letztlich so gut wie nichts. Die Welt wird weiterhin rücksichtlos zerstört, doch da die wirklich Kriminellen als „Stützen der Gesellschaft“ betrachtet werden, lässt man sie eben weiter die Erde ruinieren. Sollen die jungen Klima-Aktivisten weiterhin ab und zu stumm protestieren? Ohne, dass etwas passiert?
Die „Letzte Generation“ behindert den Verkehr. Ärgerlich für diejenigen, die dann im Stau stehen, aber sicherlich ist das allerhöchstens eine Ordnungswidrigkeit, aber keine kriminelle Handlung, die eine Verfolgung nach dem §129 zulässt. Allerdings schafft der Staat mit dieser in ihrer Hilflosigkeit völlig überzogenen Reaktion eines – er zerstört das letzte Restvertrauen, das junge Menschen heute noch in den Staat haben können. Mit Aktionen wie der Razzia gegen die „Letzte Generation“ schafft der Staat die Grundlage für eine weitere Radikalisierung der Politik, da immer weniger Menschen wählen gehen und damit den extremistischen Kräften den Weg freimachen. Denn die Anhänger extremistischer Parteien gehen immer wählen.
Wenn jemand wegen des §129 verfolgt werden müsste, dann sind es die CumEx-Verbrecher, die Chefs der Autokonzerne, die ihre Emissionsdaten manipulieren, die industriellen Umweltvergifter und die Kriminellen in Anzug und Krawatte, die jährlich dreistellige Milliardenbeträge in den Steueroasen verstecken. Doch an die traut sich keine Staatsanwaltschaft heran – da ist es einfacher, harmlose Jugendliche zu kriminalisieren, denn die stören ja die öffentliche Ordnung. Langsam, aber sicher, schafft sich der Staat mit seinen Institutionen immer weiter selber ab. Mit der Kriminalisierung junger Klima-Aktivisten stellt sich der Staat selbst ein Armutszeugnis aus.
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