Viel zu früh gestorben – Nachruf auf Eva Kleinitz

Eva Kleinitz hatte noch viel vor für unsere Bühnen in Straßburg, Mühlhausen und Colmar. Doch vor einer Woche verstarb die Intendantin der Rheinoper nach schwerer Krankheit im Alter von nur 47 Jahren – ihr Wirken aber bleibt.

Die Intendantin der Rheinoper in Strasbourg ist viel zu früh gestorben. Foto: Klara Beck / Opéra National du Rhin ONR

(Michael Magercord) – Wer mit den Gepflogenheiten in der Rheinoper zu Straßburg ein wenig vertraut war, konnte schon ahnen, dass bereits seit einigen Monaten nichts mehr war wie zuvor: der Sitzplatz in der Direktionsloge blieb selbst bei den Premieren unbesetzt.

Eva Kleinitz war erst seit der Saison 2017/2018 Direktorin des elsässischen Zwei-Sparten-Hauses, und doch hatte sie bei ihrer Programmgestaltung und Auswahl der Künstler bereits ihre ganz eigene Handschrift gefunden. Dabei blieb sie dem wichtigsten Prinzip ihres Vorgängers Marc Clémeur treu: Der Zuschauer ist das Maß der Bühnendinge, nicht der selbstbezogene Künstlernarziss.

Die erste Inszenierung unter ihrer Intendanz ließ zwar noch anderes befürchten: “Kein Licht” hieß das seltsame Spektakel aus Kammermusik, Vorlesetheater und Elektronikschleifen, das sich selbst als Zukunft der Oper sah. Doch im Laufe der beiden vergangenen Spielzeiten entspann sich ein stilistisch weitgefächertes Programm mit etlichen Höhepunkten, erinnert sei hier an die fulminante Neupremiere von Jacques Offenbachs Barkouf oder die Verknüpfung von Arnold Schönberg und Kurt Weill zu “Sieben Todsünden”. Eva Kleinitz zeigte, dass es geht: etwas anders zu machen als bisher und trotzdem populär zu bleiben, oder um es mit ihrem Anspruch zu fassen: Alle sozialen Schichten sollten in die Oper kommen können und möglichst auch wollen.

An der Rheinoper stand Eva Kleinitz noch am Anfang ihrer ersten Intendanz, nicht aber ihrer Karriere. Für ihre jungen Jahre hatte sie viel erreicht, ihre Stationen waren die Bregenzer Festspiele oder die Brüsseler Oper La Monnaie: Fast schon folgerichtig wurde sie 2013 – als erste Frau überhaupt – zur Präsidentin des Verbandes „Opera Europa“gewählt. In ihrer darauffolgenden Zeit an der Oper Stuttgart wurde das Haus von der Zeitschrift Opernwelt zur “Oper des Jahres” gekürt. Auch wenn sie damals “nur” stellvertretende Intendantin war, heißt es in den einschlägigen Kreisen, dass dieses Verdienst wohl ihr zukam.

Die letzte Opernpremiere, die noch zu Lebzeiten auf die Bühne kam, könnte man nun als letzte Hommage an ihre Stuttgarter Zeit verstehen. Ihr einstiger Chef Jossi Wieler führte beim “Freischütz” Regie und es wurde genau das, was ihre Intendanz auszeichnete: Eine zeitgenössische und doch gleichsam stimmige Interpretation des romantischen Werkes über die Willkürlichkeit gezielter Todesschüsse, versetzt in das Zeitalter der Drohnenkriege.

In den kommenden Spielzeiten wird das Wirken von Eva Kleinitz noch zu spüren sein. Die Planungen für die folgenden Saisons sind bereits abgeschlossen, und schon jetzt ist klar: die nächste Spielzeit wird wieder einige gewagte Überraschungen parat halten. Aber daneben gibt es natürlich auch Bewährtes. So wird der gute alte Richard Wagner wieder einmal das deutsche Publikum über den Rhein locken, und für die Adventsstimmung sorgt das Musical “Anatevka”. Das von ihr ins Leben gerufene Festival Arsmondo, mit dem Eva Kleinitz in der Europastadt Straßburg ein Fenster zur Welt öffnete, findet gleichsam seine Fortsetzung, 2020 ist Indien das Gastland.

Derzeit bereitet die Rheinoper die letzte Produktion der Spielzeit vor. Ausgerechnet Mozarts turbulente Spiel um den Lebemann “Don Giovanni” wird es sein. Es fällt angesichts der traurigen Nachricht schwer, sich diesem Genuss hinzugeben. Man könnte nun meinen, der in dieser Situation oft gesagte Satz, dass es nun ganz im Sinne der Verstorbenen wäre, wenn wir so weiter machten wie bisher und uns einfach an diesem Kulturereignis erfreuten. Und wer das Privileg hatte, Eva Kleinitz auch nur kurz kennengelernt haben zu dürfen, will das auch glauben.

Eine Biografie von Eva Kleinitz und weitere Informationen zur Rheinoper finden Sie HIER.

1 Kommentar zu Viel zu früh gestorben – Nachruf auf Eva Kleinitz

  1. Michael Magercord // 12. Juni 2019 um 18:16 // Antworten

    MO 24. Juni, 20.00 Uhr in der Oper Straßburg

    Hommage an Eva Kleinitz

    Am 30. Mai 2019 ist die Intendantin der Rheinoper Straßburg Eva Kleinitz im Alter von nur 47 Jahren gestorben. Chor, Sänger und Tänzer des Hauses erweisen ihr eine künstlerische Hommage, zu der alle, die Eva Kleinitz Ehre bezeugen möchten, eingeladen sind.

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