Deutscher WM-Auftakt: Vier Tore für ein Hallelujah

Die Mannschaft des Herrn Löw startet nach dem Motto "Vier gewinnt" in das WM-Turnier und lässt den Portugiesen erst Mal die Luft raus.

Alles Müller oder was? Deutsche Fans können ihr Glück kaum fassen. Foto: Bicker

von Arne Bicker

Die Deutschen haben sich reingehebelt ins Turnier, quasi den Drehmomentschlüssel an der portugiesischen Plaste angesetzt und den Wackelmotor zum Stillstand gebracht. Und das ganz ohne Kühlerfigur, denn der einzige Stürmer blieb auf der Bank hocken. Dafür hat die Mannschaft von Jogi Löw die dreiköpfige Mittelfeldhydra entfacht, defensiv bissig hier, offensiv brandgefährlich dort, und alles staunt und wundert sich.

So ging’s auch zu im Duell Spanien gegen Holland. Während die Spanier mit dem gleichen Würgeschlangenreflexfußball wie anno dazumal 2010 meinten, das Heft des Handelns felsenfest in den Griff zu bekommen, sind die Holländer zwischen die Seiten geschlüpft und haben blitzschnell an Stellen umgeblättert, an denen die Spanier noch gar nicht angefangen hatten vorzulesen.

Taktisch hat Oranjedompteur Louis van Gaal seine Viererkette schlicht um zehn Meter nach vorne beordert, so den spanischen Luftpumpen den Hebelweg abgeschnitten und die eigenen Umschaltangriffswege entscheidend verkürzt. Nach dem Motto “Der Diagonalpass aus dem Halbfeld ist die neue Flanke” ging’s dann ab dafür, und es hieß 5:1. Spaniens Trainer Vicente del Bosque hatte es schlicht versäumt, sich zu fragen, ob die Holländer sich wieder leichtfertig würden ausbluten lassen, wie beim Finale 2010, oder ob sie diesmal wohl etwas dagegen unternehmen würden – sie hatten ja vier Jahre Zeit sich etwas auszudenken.

Dies hätte dann eigene taktische Gegenmaßnahmen der Spanier erfordert, zu denen es bräsigerweise nicht kam. Sangria- und klanglos ging das spanische Schiff im eigenen Ballbesitzgefuddel unter. Jetzt müssen die Spanier vor dem zweiten Spiel gegen Chile am Mittwoch ebenso ihre nachtschweißnassen Bettlaken auswringen wie die Portugiesen vor dem am kommenden Montag anstehenden Duell mit Amerikas Klinsmannen, die heute früh gegen Ghana ein 2:1 bejubelten. Die ghanaische Nationalhymne klingt übrigens wie wechselweise der deutschen und der alten DDR-Hymne entlehnt – aber wahrscheinlich bin ich mal wieder der Letzte, dem das auffällt…

Was noch gibt es zu berichten vom zurückliegenden WM-Wochenende? England. Verlor gegen Italien. Schleicher Andrea Pirlo und sein Kollege Mario Balotelli haben die glücklosen Briten düpiert, wobei Passroboter Pirlo den englischen Ausgleich durch einen wieselflinken Stürmer namens Daniel Sturridge zumindest in der Entstehung begünstigte, weil er einen neben ihm laufenden, angriffseröffnenden Engländer nachlässig auf eigenen Wegen trabend vollständig ignorierte. Defensivarbeit gleich Null.

Das galt auch – wenngleich nicht gar so exzessiv – für einen weiteren Star, Lionel Messi, der bei Argentiniens gleichlautenden 2:1-Sieg gegen ebenso glücklose Bosnier zwar ein Tor markierte, defensiv aber derart lustlos agierte wie der zuletzt wie angepflockt spielende Stefan Effenberg 2002 im Bayerndress. Im Vergleich zu Pirlo legte Messi wenigstens den einen oder anderen Sprint ein. Käpt’n Pirlos Vorteil: So kann er auch mit 74 noch in der Nationalelf spielen, zur Not am Rollator.

Der moderne Fußball heißt jedoch “Alle rennen und kämpfen, defensiv wie offensiv”, und nur eine Mannschaft, die das auch beherzigt, wird in Brasilien Weltmeister werden; alles andere ist finsteres Fußballmittelalter. Insofern haben sich die Holländer und Deutschen das Anrecht erspielt, spätestens jetzt als ernsthafte Favoriten gehandelt zu werden.

Heute erwarten uns mit dem Einstand des staatlich geprüften Geheimfavoriten Belgien gegen Algerien (18 Uhr) und dem Duell Russland gegen Südkorea (0 Uhr) die letzten Gruppenauftaktspiele. Dazwischen nehmen die bereits ein Mal siegreichen Teams Brasiliens und Mexikos (21 Uhr) bereits den zweiten Waschgang in Angriff. Inmitten rasierschaumsprühender Schiedsrichter geht der Batucadawahnsinn weiter, und ich freue mich: Diese WM macht bislang so richtig Spaß.

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