Vom 9-Euro-Ticket ist nicht viel übriggeblieben…

Seit August 2022 verhandeln Bund, Länder und Verkehrsgesellschaften um die Nachfolge des 9-Euro-Tickets. Das Ergebnis geht weitgehend an der Zielgruppe vorbei...

Von Juni bis August 2022 gab es das 9-Euro-Ticket. Der Nachfolger ist ein nutzloser Kompromiss. Foto: IgorCalzone1 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Je länger man Politiker miteinander verhandeln lässt, desto weniger kommt dabei heraus. Ein gutes Beispiel hierfür ist das 9-Euro-Ticket des Öffentlichen Nahverkehrs, mit dem die Bundesbürger im Zeitraum Juni-August 2022 mit Regionalzügen quer durch die ganze Republik fahren und dazu alle Verkehrsmittel des Öffentlichen Nahverkehrs nutzen konnten. Der Mobilitätsgewinn speziell für sozial schwächere Mitbürger war enorm und rund 50 Millionen dieser Monatstickets fanden Abnehmer. Schnell war allen Beteiligten klar, dass dies ein System mit Zukunft ist, da der Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger hoch war. Und so begannen die Verhandlungen.

Ein halbes Jahr später liegt nun das Ergebnis auf dem Tisch. Bund und Länder haben am Ende doch eine Finanzierung hinbekommen und so soll ab dem 1. Mai (Verkaufsstart 3. April) ein „49-Euro-Ticket“, das „Deutschland-Ticket“, im gleichen Format wie im letzten Sommer angeboten werden. Nur, in diesem Format wird das neue Ticket nicht mehr die gleichen Zielgruppen ansprechen und damit nur sehr wenigen Menschen tatsächlich nützen. Ist das am Ende gewollt?

Dass 49 Euro nicht das gleiche wie 9 Euro sind, das sollte auch einem Politiker klar sein, der selbst monatlich mit 10.000 Euro nach Hause geht. Also fallen als Nutzer schon mal diejenigen weg, die gerne ein wenig soziale Teilhabe erwerben und günstig reisen wollten. Bleiben die Berufspendler. Doch in etlichen Städten kosten Monatskarten für den Öffentlichen Nahverkehr sogar weniger als 49 Euro (Potsdam) oder nur unwesentlich mehr (München). Dazu gibt es allerdings auch Städte wie Berlin, wo Monatskarten inzwischen sogar mehr als 100 Euro kosten. Aber haben sich die monatelangen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern wirklich gelohnt, wenn das Ergebnis nur ein günstigeres Monatsticket für Berliner Berufspendler ist?

Und somit verpasst die Bundesregierung eine doppelte Chance – in Zeiten des Energiesparens den Individualverkehr unattraktiver und gleichzeitig den Öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu machen. Und dazu wurde einmal mehr eine Chance vertan, die Teilhabe sozial schwacher Menschen am gesellschaftlichen Leben zu vereinfachen. Aber seit wir komplette Haushalte für die Pharma-Industrie, die Rüstungsindustrie und die Inflation verballern, ist für gesellschaftliche Aufgaben kaum noch Geld da.

Das 49-Euro-Ticket ist alles andere als ein Mobilitätsticket. Wer weitere Strecken mit dem Zug zurücklegen will, findet bei rechtzeitiger Planung auch Sparpreise, mit denen man günstiger reist als mit dem 49-Euro-Ticket. Und damit verpasst das 49-Euro-Ticket auch die Chance, pädagogisch zu wirken und Menschen zum Umstieg auf Schiene und Öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen. Und in diesem Preissegment sind auch Flixbus oder manchmal sogar ein geteilter Mietwagen echte Alternativen zu diesem 49-Euro-Ticket.

Die vielen Versprechungen und die viele Kommunikation der Politik rund um den „Nachfolger“ des 9-Euro-Tickets waren das Papier nicht wert, auf dem sie verbreitet wurden. Und so bleibt es bei einem einzigen Sommer, in dem die Bundesregierung in ihrer unerschöpflichen Großmut auch sozial schwachen Menschen erlaubt hat zu reisen, Verwandte und Freunde zu besuchen und sich als Mitglieder dieser Gesellschaft zu fühlen. Aber das ist mit dem 49-Euro-Ticket bereits wieder Geschichte.

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