Vom Himmel gefallen – Konzert und Theater zum Fest

Ob alles, was vom Himmel fällt, auch himmlisch ist? Während auf dem Weihnachtsmarkt die Hölle los ist, öffnet sich das Weihnachtskonzert der Straßburger Philharmonie gen Himmel, und im Theatersaal des TnS erwartet man der Wunder vollen Töne von ganz oben.

Der Himmel möge Symphonien über uns ausschütten - Kulturtreff an den Krippen der Kunst zur Weihnachtszeit. Dem Himmel ist es egal, ob man mit Heiligenschein auf die Bühne kommt oder gleich als Scheinheiliger, Hauptsache, man glaubt an Wunder. Foto: Orchestre La Sourde - TnS

(Michael Magercord) – Gott-sei-Dank ist es egal, ob wir an ihn glauben oder nicht: Die himmlische Musik, die ihm und seinem Gleichen gewidmet ist, lässt uns trotzdem in seine Sphären vordringen. Und was wäre zur Beseelung selbst der Unbeseelten besser geeignet, als ein großes Weihnachtsoratorium in der Adventszeit, wenn die Ereignisse um die Krippe im fernen Bethlehem unsere heimischen Krippen der Kunst füllt.

Die Straßburger Philharmonie hat sich ein besonders eindrückliches und auch eingängiges Werk ausgesucht. In ihrem zugegeben etwas unfestlichen Stall im Palais de Musique et Congrès wird uns am Mittwoch und Donnerstag der Himmel gemeinsam mit dem Chor der Rheinoper vom „Oratorio de Noël“ von Camille Saints-Saëns aufgeschleußt.

Als der Komponist 23 Jahre alt war, schuf er sein Großwerk in gerade mal zwölf Tagen. Camille Saints-Saëns war zur Zeit der Komposition Organist in der Pariser Kirche St. Madeleine, das Oratorium war ein Auftragswerk seiner Gemeinde. Am 25. Dezember 1858 wurde es dort uraufgeführt, opulent mit Orchester, fünf Solostimmen und Chor – Weihnachtsstimmung in seiner grandiosesten Variante: Nicht das Drama der Weihnachtsgeschichte soll sich in seiner Musik widerspiegeln, sondern mit ihrer Hilfe der Kontemplation über ihren tiefen Sinn ein auditives Umfeld geschaffen werden.

Seinerzeit war der junge Musiker noch ein gutgläubiger Katholik. Später sollten ihn Zweifel am sturen Dogma heimsuchen, das einem wahren Glauben im Wege stünde – was ihn aber nicht davon abhielt, weiterhin Musik für religiöse Anlässe zu schaffen, zumal die Kirchen gute Auftraggeber waren. Und er wurde der Franzosen liebster Musikschaffender, zumal er sich vehement gegen die modernistischen Einflüsse vor allem aus Deutschland wandte: Wagner war ihm schon früh ein Gräuel, Schönberg und seine atonalen Versuche geradezu das Gegenteil von Musik. Dieser Haltung, die ihn in seinen letzten Lebensjahren im beginnenden 20. Jahrhundert zwar ziemlich uralt aussehen ließ, verdanken wir nun heute noch etliche recht zugängliche und immer noch äußerst populäre Werke für Oper, Musiksaal oder Kirchen.

Das gilt auch für das zweite Werk des Konzertabends, allerdings entführt es uns in eine andere Welt. Die symphonische Suite „Sheherazade“ von Nikolai Rimski-Korsakow bittet zur orientalischen Märchenstunde. Die Geige übernimmt die Rolle der um ihr Leben erzählenden Heldin aus Tausendundeiner Nacht. Und weil es nun einmal vieler schillernder Einfälle braucht, den Sultan unentwegt bei Laune zu halten, ist auch dieses Orchesterwerk aus dem Jahr 1888 ebenso voller kleiner Melodien in unterschiedlichsten Instrumentationen. Der Komponist übrigens gestand später einmal, es sei ihm nicht darum gegangen, das Märchen nachzuerzählen, sondern einzig darum, seinen Zuhörer im hohen Norden die Wunder der exotischen Klangfarben, die die Nächte unter dem fernen Himmel des Orients erfüllen, darzubringen – na, wenn das nicht mal nach Weihnachten klingt?

Wo sind in unserer Zeit die Wunder geblieben? Das wiederum fragt sich das „Orchestre La Sourde“ im Straßburger Nationaltheater TnS, und hat eine Antwort parat: Wunder sind die Rebellion gegen die Diktatur des Lebens. Das hat zumindest einer der Menschen gesagt, den die Theatermacher gefragt hatten, was für sie ein Wunder sei. Um die gesammelten und teils aufgezeichneten Gespräche herum haben die siebzehn Musiker ihre „Symphonie, die vom Himmel fällt“ kreiert, und zwar ganz im Ursinn des Wortes: Eine Vermischung der Töne, was in diesem Fall bedeutet, aus den Erzählungen und den Orchesterklängen eine wundersame Einheit zu schaffen. Im Zentrum steht die Geschichte der Rettung eines Bergsteigers, den der Abgang einer angewehten Schneewechte in die Höllentiefe stürzen ließ. Grenzte sein Überleben lediglich an ein Wunder oder war es gar eines?

Uns entlassen die Straßburger Wunder des Konzertsaals und der Theaterbühne in die Hölle des Weihnachtsmarktes mit einer Botschaft, die direkt vom Himmel gefallen zu sein scheint: „Wunder darf nur erwarten, wer an Wunder glaubt“. In diesem und für alle Sinne: ein himmlisches und wunderbares Fest!

La Symphonie tombée du Ciel
Musiktheater mit dem Orchestre La Sourde
Théâtre national de Strasbourg TnS
noch bis FR 20.12. täglich um 20 Uhr

Infos und Tickets gibt’s HIER! 

Konzert der Straßburger Philharmonie OPS

Camille Saint-Saëns – Weihnachtsoratorium
Rimski-Korsakow – Sheherazade

Dirigent: Aziz Shokhakimov
Chor der Rheinoper

Palais de la Musique et des Congrès
MI 18. und DO 19. Dezember, 20 Uhr

Infos und Tickets gibt es HIER! 

Konferenz jeweils vor den beiden Konzerten (auf Französisch)
Arthur Skoric über die Frage, ob das „Oratorio de Noël“ von Camille Saint-Saëns überhaupt ein sakrales Werk ist?
19 Uhr im Marie-Jaëll-Saal im PMC, Eintritt frei

Folgende Konzerte der OPS im PMC:

Der große Sylvester- und Neujahrsabend mit der „Gospel Philharmonic Experience“
Der Grand Gospel Chor, für den siebzig Amateursänger ausgewählt wurden, die nun an der Seite von dreizehn Profis Werke von Händel bis Gershwin darbieten werden.

DI 31.12., 20 Uhr, und MI 1. Januar, 17 Uhr

Und im neuen Jahr „Die Farben Spaniens“, Ravel, Rodrigo, de Falla, Rimski-Korsakow

SA, 11. Januar, 18 Uhr

Das komplette Programm der Saison findet sich HIER! 

Noch ein Tipp für alle, die es nicht in den Konzertsaal schaffen und trotzdem hoffen, ihnen möge der Himmel auf den Kopf fallen: Das Konzert des OPS am 19. Dezember wird von ARTE Concert gefilmt und live sowie im Replay auf arte.tv übertragen.

Und abschließend der Hinweis auf das Ballett in der Rheinoper: Diese Version des Balletts Nussknacker“ ist wahrlich weihnachtlich gestimmt und ist jedem, dem der Sinn ein wenig nach Leichtigkeit steht, zu empfehlen. Das gute Stück läuft vom FR 20. bis MO 23. Dezember in Mülhausen in der La Filature. Resttickets sind online erhältlich unter diesem Link! 

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