Von den europäischen Werten…

Noch nie wurde so viel von den „europäischen Werten“ gesprochen wie im Jahr 2022. Doch diese „Werte“ sind es weder wert, dass man für sie friert, noch dass man für sie stirbt.

Gäbe es die "europäischen Werte" wirklich, müsste Julian Assange heute noch befreit werden. Foto: Alisdare Hickson / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der Krieg in der Ukraine ist wie jeder Krieg. Die einfachen Menschen sterben, weil sie entweder unter den Bomben verrecken oder aber selbst zum Dienst an der Waffe verpflichtet werden, während sich diejenigen, die diesen Krieg zu verantworten haben, an üppigen Büffets laben und 1. Klasse durch die Welt jetten, natürlich im medienwirksamen Olivgrün. Und dabei versichern sich die Schreibtischtäter dieser Welt gegenseitig, dass man gerade für „Werte“ kämpft. Doch diese Werte gibt es nur noch auf dem Papier, denn die Mächtigen der Welt geben einen feuchten Kehricht auf „Werte“. Diese sind nämlich nur dazu da, die breite Masse zu manipulieren.

Nehmen wir das Beispiel Julian Assange. Großbritannien und die USA verhalten sich wie „Schurkenstaaten“, die auf die von ihnen selbst propagierten „Werte“ pfeifen. Pressefreiheit? Demokratie? Menschenrechte? Fremdwörter für Washington und London, die mit dem Fall Assange jedes Recht verlieren, irgendwem Lektionen zum Thema „Demokratie“ oder „Werte“ zu erteilen. Russland, Nordkorea, der Iran oder die Türkei würden mit Julian Assange genau so verfahren wie Großbritannien und die USA.

Dass es anders geht, zeigt der Fall Boris Becker. Plötzlich holen die britischen Gerichte einen Paragrafen hervor, der es ermöglicht, in England inhaftierte Ausländer ohne großen Aufwand vor Ablauf ihrer Strafe in ihr Heimatland abzuschieben. Was für Boris Becker möglich ist, ist für Julian Assange unmöglich, was ein weiteres Mal den skandalösen politischen Charakter der langsamen Ermordung des australischen Whistleblowers zeigt.

Oder meinen die westlichen Politiker mit „Werten“ die Praktiken der europäischen Grenzschutzbehörde „Frontex“, die sich durch so genannte „Push-Backs“ ausgezeichnet hat, bei denen die hochmodernen Schiffe dieser Behörde im Mittelmeer Flüchtlingsboote wieder ins offene Meer und den sicheren Tod abgedrängt haben? Sind das die „europäischen Werte“, von denen eine Annalena Baerbock zu meinen scheint, dass sie bis zum letzten Blutstropfen in der Ukraine verteidigt werden müssen?

Oder reden wir von der Korruption in den europäischen Institutionen, angefangen bei einer Ursula von der Leyen bis hin zu einer Eva Kaili? Was ist denn am Bakschisch-Kontinent Europa so wertvoll und schützenswert? Was ist der Unterschied zwischen einem russischen Oligarchen, der in der Duma sitzt und Milliarden scheffelt und den beiden genannten Damen? Richtig, es gibt keinen.

Oder meinen wir mit „europäischen Werten“ den Umstand, dass rund 20 % der Europäerinnen und Europäer unterhalb der Armutsgrenze leben, während sich die Lufthansa-Bosse, noch vor Jahresfrist mit 9 Milliarden Euro Steuergelder vor dem Absturz gerettet, mit Millionen-Boni für ihr Versagen belohnen? Sind das „europäische Werte“?

Es könnte natürlich auch sein, dass mit „europäischen Werten“ das Komplettversagen der europäischen Politik in den Krisen der letzten drei Jahre gemeint ist. Angesichts dieser existentiellen Krisen hat es die EU nicht geschafft, die Pandemie gemeinsam zu bekämpfen, eine gemeinsame Position zur russischen Aggression in der Ukraine zu definieren oder gar die Korruption in den eigenen Reihen zu bekämpfen. Auch auf den seit Jahren angekündigten und dringend benötigten Reformprozess verzichtet Europa lieber.

Die „europäischen Werte“ sind keinen Deut besser als die „russischen Werte“, die „amerikanischen Werte“ oder die „chinesischen Werte“. Es handelt sich um reine Erfindungen, mit denen den jeweiligen Bevölkerungen nicht erklärbare Entscheidungen verkauft werden sollen.

Wenn nun die Politik der Ansicht ist, dass es sich lohnt, für diese „Werte“ zu sterben, sollte man die Politiker von allen Seiten auffordern, die Situation unter sich und gerne mit maximaler Gewalt zu lösen. Und sollte Europa auch nur den leistesten Anspruch haben, echte „Werte“ zu vertreten, dann muss heute Julian Assange aus dem Gefängnis entlassen und in einen Flieger nach Australien gesetzt werden. Den Whistleblower langsam hinzurichten, stellt Großbritannien und die USA auf eine Stufe mit dem Iran, mit Russland und mit Nordkorea. Länder, die auch von sich behaupten, sie würden für „Werte“ stehen…

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