Von den Freiheiten für Geimpfte

Vereinfacht gesagt, ist das der Deal, den uns die Regierungen momentan vorschlagen: Ihr lasst euch impfen und dafür geben wir euch Freiheiten zurück. Eine gefährliche Aussage.

Mit der Impfung ist der Schutz noch nicht erreicht - das dauert 7 bis 10 Tage. Foto: Superikonoskop / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Naja, sagen viele, in Israel und Großbritannien klappt das ja auch! Massenhaftes Impfen und in der Folge, die Öffnung zahlreicher Einrichtungen, die lange geschlossen bleiben mussten. Quasi als „Belohnung“ dafür, dass man sich impfen lässt, bekommt man Freiheiten zurück, die temporär im Kampf gegen das Virus aufgehoben worden waren. Klingt gut, klappt aber so leider nicht bei uns. Denn Deutschland (und der Rest der europäischen Länder, bis auf Malta und Zypern) ist keine Insel und auch nicht mit Israel vergleichbar. Den Menschen vorzumachen, dass sie mit erfolgter Impfung „das Leben von vorher“ wiederfinden, ist falsch und dürfte zu Verhaltensweisen führen, mit denen das Virus neue Fahrt aufnehmen kann.

Was ist in Israel und Großbritannien anders gelaufen als bei uns, wieso funktionieren offenbar dort die Impfstrategien? Und warum funktionieren sie nicht in Chile? Das südamerikanische Land ist Nummer 3 im weltweiten Impfwettbewerb und muss dennoch gerade wieder das Leben herunterfahren, da die Infektionszahlen, trotz Impfung, wieder explodieren. Israel und Großbritannien haben eine geographische Lage, die sich von der in den anderen europäischen Ländern unterscheidet. Israel ist auf der einen Seite vom Mittelmeer begrenzt und auf den anderen Seiten von Grenzen, die hermetisch abgeriegelt werden können. Und Großbritannien ist eine Insel, die niemand unbemerkt betreten oder verlassen kann. In diesen beiden Ländern war es also relativ einfach, sich hermetisch abzuriegeln und aufgrund rechtzeitiger Vakzin-Bestellungen schnell einen hohen Prozentsatz der Bevölkerung zu impfen. In den anderen europäischen Ländern ist dies nicht möglich – in Europa leben 35 % der 500 Millionen Europäerinnen und Europäer in Grenzregionen, deren Durchlässigkeit für eine stete Verbreitung des Virus und seiner Varianten sorgt.

Das Versprechen „Impfung gegen Lockerungen“ ist eine grobe Täuschung. - Denn nach einer Impfung, gleich mit welchem Vakzin, dauert es 7 bis 10 Tage, bis der Körper Antikörper produziert, mit denen er sich gegen das Virus wehren kann. Während dieser Zeit kann man sich infizieren und selbst wiederum andere anstecken. Mit der Impfung ist also noch kein Schutz gegeben und den Menschen zu erzählen, dass sie, sobald sie geimpft sind, das Leben wieder in vollen Zügen genießen können, ist schlicht irreführend und führt im Zweifelsfall zu sehr unvorsichtigem Verhalten.

Dazu kommt, dass „Impfung gegen Lockerungen“ sehr ungerecht ist, denn dieses System könnte nur dann gerecht funktionieren, gäbe es die Möglichkeit für die gesamte Bevölkerung, sich impfen zu lassen (und dann abzuwarten, dass der Impfschutz wirklich greift). Doch aufgrund der Lieferschwierigkeiten der Impfdosen bei praktisch allen Herstellern (gestern wurde bekannt, dass eine komplette Lieferung Moderna-Impfstoff ausfällt, von den Lieferproblemen der anderen Hersteller ganz zu schweigen), gibt es diese Möglichkeit momentan eben nicht. Es ist allerdings nicht vorstellbar, dass man nur bestimmte Bevölkerungsgruppen impft (Alte und Kranke) und diesen dann erlaubt, wieder „normal“ zu leben. Was ist mit den anderen, die sich (noch) nicht haben impfen lassen können?

Dann müssen eben die Tests herhalten, hört man. - Nur – ebenso wie für die Impf-Dosen gibt es auch bei den Tests massive Lieferengpässe. Dazu kommt, dass viele Tests keine wirklich zuverlässigen Ergebnisse erbringen, so dass die reine Kombination „Tests-Impfungen“ faktisch noch keinen Schutz darstellt.

Lockerungen als „Belohnung“ für Wohlverhalten, Lockdown als „Bestrafung“ für unbotmäßiges Verhalten, das werden die Bevölkerungen nicht mehr lange hinnehmen. Da wird man sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Die Ankündigungen kurzfristiger Lockerungen, oder gar deren Umsetzung wie im Saarland, das ist „Russisches Roulette“ mit der Volksgesundheit. Statt seine Energie in nicht funktionierenden „Modellstädten“ wie Tübingen oder „Modellregionen“ wie dem Saarland zu vergeuden, sollte sich die Politik lieber um die Beschaffung von Impf-Dosen und Tests kümmern, dafür sorgen, dass sich die Menschen an die sanitären Auflagen halten, und endlich damit aufhören, den Menschen vorzugaukeln, dass ein Ende der Pandemie unmittelbar bevor stünde. Das ist nämlich nicht der Fall und wenn es so weitergeht, wird die Pandemie noch sehr lange unser Leben bestimmen. Und das mit immer heftigeren Folgen.

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