Von der Impfmüdigkeit

Hunderte Impftermine verstreichen in den Impfzentren ungenutzt. Und jede Menge Impfdosen verfallen. Es herrscht eine Art Impfmüdigkeit. Das ist nicht ungefährlich.

Gähnende Leere in vielen deutschen Impfzentren - die "Impfmüdigkeit" hat sich eingestellt... Foto: Zollernalb / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Momentan ist die virale Inzidenz in Deutschland auf einem seit langer Zeit unbekannten, niedrigen Niveau. Doch ist dies nur eine Momentaufnahme zu einem Zeitpunkt, zu dem mit den Varianten Delta und Epsilon ansteckendere, aber auch offenbar weniger tödliche Virus-Varianten unterwegs sind. Die Vorstellung, dass zum Beginn des Sommers und der Ferien die Pandemie vorbei sei, ist schlicht falsch. Dass nun die Impfbereitschaft drastisch abnimmt, ist dabei problematisch.

Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt es – in vielen Ländern steigt die Inzidenz wieder an. Im Grunde ist das logisch, denn den Menschen wird seit Wochen suggeriert, dass die Pandemie im Griff und eigentlich so gut wie vorbei sei. Wir sehen Bilder aus Fußball-Stadien, in denen sich 60.000 Menschen drängen, von denen nur noch ein winziger Bruchteil eine Maske trägt, es herrscht ausgelassene Feierstimmung und nur noch wenige Menschen nehmen Barriere-Gesten ernst. In diese „wir-haben-es-geschafft-Stimmung“ fällt nun auch die Impfmüdigkeit. Doch sind wir meilenweit von einer kollektiven Immunität entfernt. Nur – die laufende Impfkampagne wird durch diese „Impfmüdigkeit“ drastisch gefährdet.

Warum die Menschen gebuchte Impftermine nun ausfallen lassen, ist schwer nachvollziehbar. Mehrere Impfzentren in Baden und Südbaden müssen Impfdosen verfallen lassen, und es wird immer schwieriger, Impfwillige als kurzfristigen „Ersatz“ für nicht wahrgenommene Termine zu finden.

Dabei läuft parallel eine Diskussion, übrigens nicht nur in Deutschland, wie man mit dieser Impfunwilligkeit umgehen soll. Zwangsimpfungen? Für bestimmte Berufsgruppen wie medizinisches Personal, Feuerwehr oder die Polizei? Impfpflicht für alle? Strafgelder für nicht wahrgenommene Impftermine? Und was ist mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit? Kann man Menschen zwingen, sich mit Impfstoffen impfen zu lassen, deren Langzeitwirkungen noch nicht untersucht werden konnten, für die weder Hersteller, noch der Staat eine Garantie übernehmen und von denen niemand weiß, ob sie überhaupt gegen die neuen Varianten wirksam sind? Es gibt jede Menge Fragen und kaum Antworten.

Nur – was gibt es für Alternativen außer derjenigen, die momentan von fast allen Regierungen propagiert wird? Diese lautet „schützt euch und euer Umfeld – viel Glück dabei!“. Und das ist eigentlich logisch. Denn die Staaten haben getan, was in ihrer Macht stand. Tests, Impfungen, Masken, Informationskampagnen – mehr kann ein Staat nicht leisten. Gewiss, das Management solcher Krisen ist stark verbesserungswürdig, insbesondere, was die europäische und internationale Krisenkoordination anbelangt, aber nun bricht die Zeit an, in der man sich individuell auf diese Pandemie einstellen muss.

Die Menschen zur Impfung zu zwingen, mag für den einen oder anderen eine reizvolle Möglichkeit sein. Doch stellt sie ein ethisches Problem dar, das man nicht einfach vom Tisch wischen kann. Dass die Mehrheit der Bevölkerung die Impfung als sinnvollen Baustein einer Strategie begreift, ist eine Sache, doch Menschen gegen ihren Willen zu einer Impfung zu zwingen, ist eine andere.

Vielleicht ist nun der Zeitpunkt gekommen, an dem die Politik eine ehrliche, transparente und verständliche Kommunikation produzieren muss. Man muss den Menschen klar und deutlich mitteilen, dass sie ab sofort selbst die Verantwortung für ihre Gesundheit sowie den Schutz ihres Umfelds und der eigenen Person haben. Dies kann man gar nicht deutlich genug kommunizieren, denn das, was Staaten in einer solchen Situation leisten können, das haben sie getan. Mehr oder weniger gut, aber sie haben es getan. Der Staat kann nicht hinter jeder einzelnen Person stehen und ihr ins Ohr flüstern, dass man in der einen oder anderen Situation doch besser eine Maske trägt – darauf müssen die Menschen jetzt selber kommen.

Wenn die Kommunikation der Verantwortlichen ehrlicher und transparenter wird, dürfte auch die Impfbereitschaft wieder steigen. Das Mittel der Zwangsimpfung dürfte hingegen nicht greifen, denn der Widerstand gegen staatliche Maßnahmen würde dann eher steigen und das wäre insgesamt schlecht. Doch gerade jetzt zu Beginn des Sommers, wenn die Menschen sich freuen, ans Meer oder in die Berge fahren zu können, ist es unabdingbar, sich in Situationen zu schützen, in denen es zu sozialen Kontakten kommt. Dies klar und deutlich mitzuteilen, ist nun Aufgabe der Verantwortlichen. Es wird Zeit, dass diese endlich in eine solche ehrliche und transparente Kommunikation einsteigen, statt und weiter mit widersprüchlichen und nicht mehr nachvollziehbaren „Informationen“ und Zahlen zuzuschütten.

1 Kommentar zu Von der Impfmüdigkeit

  1. Кристина // 15. Juli 2021 um 14:51 // Antworten

    Erfurt – Angesichts einer zu stocken drohenden Corona-Impfkampagne setzen deren Thuringer Organisatoren jetzt auf unkonventionelle Impfangebote, um moglichst viele Menschen gegen Covid-19 zu schutzen. Dazu gehoren nachtliche Impfungen, Spritzen an einer Touristenattraktion und der Einsatz von Impfbussen, wie die Kassenarztliche Vereinigung auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Das Gesundheitsministerium startet au?erdem eine verstarkte und vielsprachige Aufklarung in schwer erreichbaren Bevolkerungsgruppen, vor allem Migranten. Thuringen, das bundesweit lange Zeit mit die hochsten Impfquoten aufwies, ist im Vergleich der Bundeslander hier inzwischen Schlusslicht.

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