Von der Verantwortung

Heute, gegen 19 Uhr, dürfte das Ergebnis der Vertrauensfrage für Premierminister Michel Barnier bekannt sein. Und damit vermutlich das Ende seiner Regierung.

Hier in der Nationalversammlung wird heute über den Sturz der Regierung Barnier abgestimmt. Foto: Richard Ying et Tangui Morlier / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Gestern Abend noch appellierte Premierminister Michel Barnier im Fernsehen an die „Verantwortung“ der linken und rechtsextremen Opposition in der französischen Nationalversammlung und rief diese Parteien auf, den Sturz der Regierung zu verhindern. Erstaunlich ist dabei, dass die einzigen, an deren „Verantwortung“ überhaupt nicht appelliert wird, die „Macronisten“ sind, also die Abgeordneten desjenigen, der völlig verantwortungslos dieses politische Chaos losgetreten hat. Doch wenn die einzige angebotene Option darin besteht, diejenigen im Amt zu bestätigen, die von den Franzosen im Juni/Juli in drei Wahlgängen abgewählt wurden, darf man sich nicht wundern, dass sie heute wieder aus diesem Amt gejagt werden.

Die „Macronisten“ haben immer noch nicht begriffen, dass ihre Zeit abgelaufen ist und weiterhin versuchen sie jeden Trick, sich trotz fehlender Mehrheit im Parlament an der Macht zu halten. Eine Schlüsselrolle kommt dabei demjenigen zu, der dieses Chaos ausgelöst hat, aber ansonsten so tut, als habe er mit Frankreichs Schicksal nichts zu tun – der wohl schlechteste Präsident der V. Republik Emmanuel Macron, der gerade in Saudi-Arabien „Mr. Wichtig“ spielt, obwohl ihn auch international kaum noch jemand ernstnimmt. Vom fernen Riyad aus ließ er seine Landsleute wissen, dass er sich „Stabilität“ wünsche, nachdem er die letzten Reste politischer Stabilität in Frankreich mit dem Vorschlaghammer zerstört hat.

Dass nun ausgerechnet von denjenigen, die für diese politische Krise verantwortlich sind, der über eine Mehrheit verfügenden Opposition „Verantwortungslosigkeit“ vorgeworfen wird, ist ein schlechter Witz. Zu keinem Zeitpunkt haben die „Macronisten“ konstruktive Vorschläge gemacht, sie haben den Dialog mit der stärksten Fraktion im Parlament, der „Neuen Volksfront“ verweigert und stattdessen mit den Rechtsextremen geschmust, die allerdings wenig Neigung verspürten, für die schon längst gescheiterte „Macronie“ die Kastanien aus dem Feuer zu holen.

Dass Michel Barnier versucht hat, die Scherben für einen Präsidenten zu kitten, der nicht in der Lage ist, sein Land zu managen, ist ehrenhaft, aber zum Scheitern verurteilt. Präsident Macron hat die Wahlergebnisse vom Juni/Juli ignoriert und nun können die „Macronisten“ nicht ernsthaft erwarten, dass diejenigen, die durch das höchst undemokratische Verhalten dieses Präsidenten vom politischen Prozess ausgeschlossen wurden, dies auch noch durch ihre Unterstützung fördern.

Um 16 Uhr startet heute die Debatte zu den zwei Vertrauensfragen (eine wurde von der linken NFP, eine andere vom rechtsextremen Rassemblement-ex-Front National eingereicht) und gegen 19 Uhr rechnet man mit dem Ergebnis. Barniers Hoffnung, dass über Nacht die Opposition aus diesen beiden Lagern ihre Zuneigung zu dieser Regierung entdeckt, gehen gegen Null. Und somit stehen die Chancen hoch, dass heute die Regierung Barnier einen Rekord bricht – denjenigen der am kürzesten amtierenden Regierung der V. Republik. Derjenige, der auf diesen „Rekord“ wirklich nicht stolz sein kann, ist auch derjenige, der das alles zu verantworten hat, aber selber keinerlei Verantwortung trägt – Emmanuel Macron.

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