Vorratsdatenspeicherung: Und Sie dachten, Sigmar Gabriel wäre heftig…

Der französische Innenminister schlägt eine Vorratsdatenspeicherung für sage und schreibe 40 Jahre vor. Die Beschneidung von Bürgerrechten nimmt langsam groteske Züge an.

Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve geht zum Thema Vorratsdatenspeicherung noch wesentlich weiter als Sigmar Gabriel. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Wer ist der beste Terrorbekämpfer in Europa? Diesen Titel wollen sich wohl der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und der französische Innenminister Bernard Cazeneuve gegenseitig streitig machen, indem sie sich beim Thema „Vorratsdatenspeicherung“ heftig Konkurrenz machen. Beim neuesten Gesetzesvorschlag zu dem Thema schießt Cazeneuve aber eindeutig den Vogel ab. Sein neues Gesetzesvorhaben sieht vor, Daten für nicht weniger als 40 Jahre zu speichern.

Sobald ein Ermittlungsverfahren gegen eine Person wegen „Terroraktivitäten“ eröffnet wird, können die Daten rechtlich erfasst werden. Der Entwurf sieht vor, dass selbst noch nicht rechtskräftige Urteile erfasst werden (zum Beispiel, wenn gegen ein Urteil Berufung eingelegt wurde), ebenso wie Freisprüche aufgrund geistiger Unzurechnungsfähigkeit und selbst für Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren können Richter und Staatsanwalt den Eintrag in die nationale Zentraldatei für terroristische Aktivitäten (FIJAIT) bestimmen.

Wenn ein Untersuchungsrichter dies anordnet, kann auch die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens zum Eintrag in dieses digitale Register führen. Angeblich sollen die Daten im Fall eines Freispruchs wieder gelöscht werden – wer es glaubt, wird selig. Wenn eine Verurteilung zu einer Haftstrafe führt, beginnt die Frist zur angeblichen Löschung erst am Tag der Freilassung – und im Fall einer Amnestie oder gar einer Rehabilitierung werden die Daten nicht automatisch gelöscht. Na ja, es darf einem niemand krumm nehmen, wenn man nicht daran glaubt, dass diese Daten überhaupt irgendwann gelöscht werden.

Die Franzosen müssen ja ein unendliches Vertrauen in ihre Regierungen haben. Denn eine solche Datei, bei der für einen Eintrag schon die Eröffnung einer Ermittlung reicht, könnte in den falschen Händen katastrophale Auswirkungen selbst für Unschuldige haben. Zumal ein solcher Eintrag mit konkreten Auflagen verbunden sein soll: Wer in dieser Datei erfasst ist, muss beispielsweise Auslandsreisen spätestens 15 Tage vor Antritt der Reise anmelden – und das ganze 20 Jahre lang (für Minderjährige in dieser Datei für 10 Jahre). Wer dies nicht tut, riskiert zwei Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von 30.000 Euro.

Doch was, wenn eines Tages zum Beispiel eine rechtsextreme Regierung beschließt, zusätzlich zu Terrorverdächtigen auch politische Gegner in dieser Datei zu erfassen? Oder generell Andersgläubige? Der Repression öffnet dieses Gesetz Tür und Tor.

In ihrem durchaus nachvollziehbaren Bestreben, auf die Terroranschläge von Paris und die Terrorbedrohung allgemein zu reagieren, schießt die Politik weit über das Ziel hinaus. Klar ist, dass diese Datei auch ausländischen Geheimdiensten zur Verfügung stehen wird, so wie alle unsere Daten Geheimdiensten in In- und Ausland zur Verfügung stehen. Das Ganze erinnert an die Geschichte vom Zauberlehrling – wenn der einmal außer Kontrolle gerät, wird er nicht wieder zu bändigen sein. Sinnvoller als dieser repressive Aktionismus wäre es vielleicht, mal an den Ursachen für Terrorismus zu arbeiten. Aber das ist eine langwierige und schwierige Aufgabe – da macht man es sich lieber einfach und schafft Instrumente, die sich ruck-zuck gegen die Menschen richten können. Was auch nicht besser als Nichtstun ist.

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