Vorwahlen, Vorwahlen, Vorwahlen…

Offenbar sind unsere französischen Nachbarn vom amerikanischen Konzept der Vorwahlen mehr als begeistert. Straßburgs OB Roland Ries möchte nun auch Vorwahlen für die nächsten OB-Wahlen…

Weil es so schön ist, will Strassbuyrgs OB Roland Ries nun auch für die OB-Wahlen Vorwahlen organisieren... Foto: YannickPatois / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Wie füllt man als Politiker am besten die Zeit zwischen zwei Wahlterminen? Mit Regieren, könnte man meinen, denn dafür werden die Leute ja gewählt. Mit Vorwahlen, meinen die Politiker, denn das beschäftigt den Vollblutpolitiker auf viel spannendere Art und Weise als das langweilige Regieren, bei dem man es ja ohnehin niemals allen Recht macht…

Nachdem die Konservativen ihre Vorwahlen vor Weihnachten hatten und sich dabei wochenlang gegenseitig zerfleischten, nur um hinterher wieder ein Herz und eine Seele zu sein, sind nun die Linken dran und auch deren Vorwahlkampf kündigt sich alles andere als souverän an. Und langsam bekommen wir auch in Frankreich so etwas wie amerikanische Verhältnisse – eine Amtsperiode dauert dort inzwischen eigentlich nur noch die halbe Wahlperiode, denn dann beginnt schon wieder das Hauen und Stechen um die Kandidatenposten für die nächsten Wahlen. Wobei es vielleicht an der Zeit wäre, den Politikern zu sagen, dass außer ihnen wirklich niemand auf dieses unwürdige Spektakel steht.

Aber weil ihnen das niemand sagt, denken nun die Politiker, dass alle auf Vorwahlen stehen. Und weil es so schön ist, schlägt nun auch der Straßburger OB Roland Ries vor, für die Wahl seines Nachfolgers im Jahr 2020 ebenfalls eine Vorwahl durchzuführen. Das dürfte dann ähnlich harmonisch ablaufen wie die Vorwahlen auf nationaler Ebene – und gibt solchen Wahlen auch immer den Anstrich eines hochdemokratischen Ablaufs. Wobei man auch auf den Gedanken kommen könnte, dass die Parteien inzwischen schon selbst nicht mehr wissen, wen sie den Wählerinnen und Wählern noch zumuten können.

Mit seinem Interview bei den Kollegen der Straßburger DNA eröffnet Roland Ries auf eine Art bereits im Januar 2017 den OB-Wahlkampf für 2020 und das dürfte eine Art Europarekord sein. Der selbst nicht mehr antretende Ries („2020 bin ich 75 Jahre alt, da muss man auch mal Realist sein…“) kann nun in aller Ruhe zuschauen, wie sich die verschiedenen Strömungen innerhalb der Straßburger PS gegenseitig an die politische Gurgel gehen. Dass es bei den Straßburger Sozialisten verschiedene Lager gibt, die eine Art Burgfrieden halten, ist bekannt. Und dass diese Lager nun alles dransetzen werden, um sich für diese 2019 stattfindenden Vorwahlen zu qualifizieren, erscheint logisch.

Und die Wählerinnen und Wähler? Die sähen es am liebsten, wenn sich die gewählten Volksvertreter damit beschäftigen würden, wofür sie gewählt wurden. Das unwürdige Spektakel, das die erstmals auch mit großen TV-Debatten durchgeführten Vorwahlen der Konservativen abgezogen haben, hat erst einmal gereicht. Was ist auch so interessant daran, wenn sich 7 Kandidaten aus der gleichen Partei Mühe geben, ihre 6 Konkurrenten fertig zu machen, so dass es nicht danach aussieht, als würde man sich gegenseitig fertigmachen.

Bevor man künftig aber für alles und jedes Vorwahlen durchführt, sollte man vielleicht noch einmal nachdenken. Denn ansonsten droht die Gefahr, dass in den Schulen bereits zum Schuljahresbeginn der Vorwahlkampf für die Posten der Elternvertreter beginnen. Und zwar für das darauf folgende Schuljahr…

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