Wählen gehen!

Heute stimmt Europa über seine politische Zukunft ab. Und leider wird einmal mehr die „Partei der Nichtwähler“ die stärkste Gruppierung sein. Geht der Demokratie die Puste aus?

Eine Stimmenthaltung ist natürlich bereits eine Aussage, aber die ist eben alles andere als neutral. Foto: Bärbel Miemietz / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Zugegeben, die Kandidatinnen und Kandidaten, die uns die Parteien zur heute stattfindenden Europawahl anbieten, sind nicht viel mehr als die Hinterbänkler ihrer jeweiligen Formationen. Trotz aller großartigen Europa-Slogans der Parteien ist ihnen wohl die Europawahl nicht wichtig genug, als dass sie ihr Spitzenpersonal mobilisieren würden. Dass bei einem derart schwachen Wahlkampf derart farblose (und teilweise kriminelle…) Kandidaten am Start sind, ist ein Zeichen dafür, dass Europa angesicht der vielen nationalen Krisen nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Und das ist natürlich ein Riesenfehler der Parteien, die sich allesamt langsam, aber sicher überflüssig machen. Dennoch, oder gerade deswegen, sollte man heute wählen gehen.

Demokratisch wählen kann man heute nach Aussagen des Think Tanks „Freedom House“ aus Washington nur in 116 Ländern der Welt, was bedeutet, dass rund die Hälfte der Weltbevölkerung keine Möglichkeit hat, ihre politischen Führer selbst zu bestimmen. So lange wir die Möglichkeit haben, wenigstens die politische Richtung mitzubestimmen, die Europa einschlagen soll, sollte man das auch tatsächlich tun.

Belgien hat verstanden, dass man die Menschen zu ihrem „demokratischen Glück“ am besten zwingt – in Belgien ist das Wählen eine Bürgerpflicht und wer sich dieser entzieht, kann einen Strafzettel verpasst bekommen. Kein Wunder, dass die Wahlbeteiligung in Belgien deutlich höher ist als in den anderen europäischen Ländern.

Wohl selten war die Wahl zwischen „Not und Elend“ größer als heute. Die meisten der zur Wahl zugelassenen Listen kennt man überhaupt nicht, was aber auch für viele der Kandidaten und Kandidatinnen der etablierten Parteien gilt. Doch wenn die Welt der Politik die Europawahl schon nicht ernstnimmt, dann sollten das wenigstens die Wählerinnen und Wähler tun.

Die Politikmüdigkeit der Wählerschaft ist allerdings nicht die Schuld der angeblich desinteressierten Wähler, sondern eines korrupten, inkompetenten und machtgeilen Politikapparats und das gilt leider sowohl für nationale, wie auch für die europäischen Wahlen. Die Umfragen zeigen es immer wieder, dass nur noch rund 10 % der Menschen den Parteien zutrauen, die aktuellen Probleme lösen zu können. Doch da ist Nichtwählen keine echte Alternative – denn einzig die extremistischen Kräfte schaffen es, ihr Wählerpotential zu mobilisieren. Was heute Abend bereits zu einem politischen Paukenschlag führen könnte.

Das politische Europa verkommt immer weiter zu einem Sumpf aus Amtsmißbrauch, Spionage und Korruption, wobei das Schlimmste ist, dass selbst das Aufdecken solcher Skandale in der Regel für die Kriminellen in Anzug und Krawatte folgenlos bleibt. Und auch das sollte ein Grund sein, heute wählen zu gehen und sein Kreuzchen dort zu machen, wo man am wenigsten Verbrecher auf der Liste vermutet.

Die Demokratie, auch, wenn sie regelmäßig von denen vergewaltigt wird, die für ihren Schutz zu sorgen haben, ist ein hohes Gut. Allerdings nur dann, wenn wir es auch nutzen. Schon Churchill wusste um die Imperfektion des demokratischen Systems, doch wusste er ebenfalls, dass wir halt kein besseres System haben.

Nutzen Sie heute Ihre Stimme. Versuchen Sie, „europäisch“ abzustimmen und nationale Befindlichkeiten in den Hintergrund zu stellen. Für wen Sie stimmen, ist alleine Ihre Sache, aber stimmen Sie ab. Denn der alte Satz „wenn Sie nicht abstimmen, dann tun das andere für Sie“ hat nach wie vor Gültigkeit. Schönen Wahlsonntag!

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