Waffenlieferungen an die Peschmerga? Schwierig…

Angesichts des Völkermordes an den Jesiden im Nordirak steht die Welt vor einer schweren Frage – soll man die Peschmerga mit modernen Waffen ausrüsten?

Die Schlüsselfrage lautet: Was machen die Peschmerga, sobald sie die IS besiegt haben? Für einen neuen Kurdenstaat kämpfen? Foto: Jim Gordon / Wikimedia Commons / CCBY 2.0

(KL) – Was die IS im Irak durchführt, ist ein Völkermord. Sie treiben das Volk der Jesiden vor sich her, töten, vergewaltigen und legen dabei eine unglaubliche Brutalität an den Tag. Die Peschmerga, kurdische Kämpfer aus dem irakischen Kurdengebiet, sind offensichtlich die Einzigen, die dem Töten der IS Einhalt gebieten können. Problem: Sie haben zwar genügend Soldaten, aber keine wirkungsvollen Waffen. Die USA und Frankreich wollen nun schnellstmöglich Waffen an die Peschmerga liefern, Deutschland hält sich eher zurück und will sich auf die Lieferung von Ausrüstungsmaterialien beschränken. Aber wen will man da eigentlich aufrüsten?

Die Situation ist sehr schwierig. Denn einerseits gilt es, einen gerade stattfindenden Völkermord zu beenden, wobei jeder Tag zählt und andererseits haben viele noch das Beispiel von Ousama Bin-Laden im Hinterkopf, der den Amerikanern ein willkommener Verbündeter war, solange er mit seinen Truppen gegen die russische Besatzungsmacht in Afghanistan kämpfte. Derart aufgerüstet konnte Bin-Laden seine Anschläge gegen die USA organisieren. Gegen wen könnten die Peschmerga kämpfen, sobald sie die Gefahr der IS gebannt haben?
Speziell in Ankara muss die Perspektive einer westlichen Aufrüstung der Peschmerga den kalten Schweiß auf die Stirn treiben. Denn die nordirakischen Kurden haben sich zur Bekämpfung der IS mit Kämpfern der PKK, also der türkischen Kurden zusammengetan, wobei die PKK in der Türkei als terroristische Organisation gilt, deren Führer Ökzalan im Gefängnis sitzt. Was passiert mit so hochgerüsteten Kurden-Armeen, sobald die IS besiegt ist? Wird dann der Albtraum der türkischen Regierung wahr und die Kurden in ihren Siedlungsgebieten, die sich über mehrere Länder erstrecken, tun sich zusammen und kämpfen mit ihren neuen Waffen für die Einrichtung eines neuen Kurdenstaats?
Verständlich ist, dass die Länder des Westens Probleme damit haben, Truppen in so unübersichtliche politische, religiöse und teilweise wirtschaftliche Gemengelagen in der ganzen Welt zu schicken. Es gibt momentan einfach zu viele Krisenherde, die von der internationalen Völkergemeinschaft gar nicht mehr gelöst werden können. Dennoch wäre die Entsendung von Truppen eine ehrlichere Lösung als die Aufrüstung einer Organisation wie den Perschmerga, deren langfristige Ziele momentan überhaupt nicht durchschaut werden können – wissend, dass eine solche Aufrüstung mittel- und langfristig zu neuen Krisenherden führen kann. Wie würde sich denn Europa verhalten, käme es zu einer militärischen Bewegung für die Einrichtung eines neuen Kurdenstaats? Die Gleichung „Wir verhindern das IS-Kalifat und akzeptieren dafür einen neuen Kurdenstaat“ wird nie und nimmer so funktionieren können. Weder der Irak, noch Syrien, noch die Türkei werden sich mit der Idee eines neuen Kurdenstaats anfreunden können – womit die nächste große Auseinandersetzung vorprogrammiert wäre.
Die westliche Welt sollte sehr vorsichtig bei der Organisation von Stellvertreterkriegen sein. Dass man der IS in den Arm fallen muss, um den Völkermord an den Jesiden zu stoppen, ist klar. Doch ob man langfristig Friedensziele erreicht, indem man Gruppierungen aufrüstet, die sich schon morgen gegen die wenden können, die sie gestern aufgerüstet haben, ist mehr als fraglich.

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