Wahlen in den USA – über wen machen wir uns eigentlich lustig?

Typisch Europäer – da machen wir uns über Trump und Clinton lustig und vergessen dabei, dass in den Ländern Europas 2017 Wahlen anstehen, bei denen die Kandidaten kaum besser sind als in den USA.

Bei uns wird auch bald gewählt und mal ehrlich - unsere Kandidaten sind auch nicht so viel besser als in den USA... Foto: Pierre-Alain Dorange / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Ja, ja, ja, Donald Trump ist ein ungehobelter Berserker und Hillary Clinton hat für den Irak-Krieg gestimmt. Und gegen beide Kandidaten ermitteln verschiedene Dienste, vermutlich auf Betreiben des jeweils anderen. Die „Qualität“ der politischen Debatte ist unterirdisch und beide Kandidaten sprechen vor allem über ihren jeweiligen Wettbewerber, wobei der verbale Austausch kaum noch über die Gürtellinie hinausgeht. Aber wenn man sich das „Superwahljahr“ 2017 in Deutschland und Frankreich und die jeweiligen Kandidaten und Kandidatinnen anschaut, dann sei die Frage gestattet, mit welchem Recht wir uns eigentlich über die USA lustig machen. Bei uns sind die Kandidaten nämlich auch nicht wesentlich besser.

Angela Merkel gegen Sigmar Gabriel. Wow. Was für ein Duell. Die sozialliberale Kanzlerin gegen den konservativen CETA- und TTIP-Verfechter Sigmar Gabriel. Toll. Vor allem, wenn man bedenkt, dass beide danach ohnehin zusammen weitermachen werden, denn angesichts der immer stärker werdenden AfD ist die Fortführung der „Großen Koalition“ recht wahrscheinlich. Und Zünglein an der Waage spielt eine gewisse Frauke Petry. Oder vielleicht auch noch „Bürstenkopf“ Winfried Kretschmann. Da können wir aber stolz sein, dass unser politisches Spitzenpersonal so viel besser ist als das in den USA. Und sollte jemand wirklich überzeugt davon sein, dass die Politiker bei uns wirklich so viel besser sind als in den USA, dann sei nur einmal der Name „Günther Oettinger“ erwähnt. Ein Schlitzohr und Schlitzauge, wer bei der Nennung dieses Namens Böses denkt.

Beim Blick über den Rhein geht es grade weiter. Im unübersichtlichen Vorwahlkampf in Frankreich wird es immer schwieriger, Kandidaten mit astreinem polizeilichem Führungszeugnis zu finden. Manche Wahlkampfveranstaltung wirkt wie ein Aufmarsch von Dinosauriern, die sich alle Schilder gemalt haben, auf denen „Hoffnungsträger“ steht. Wo ist denn dann der Qualitätsunterschied zwischen einem Nicolas Sarkozy und einem Donald Trump? Auch in Frankreich wirkt das „Spitzenpersonal“ eher so, als hätten sich die guten Köpfe des Landes mal wieder darum gedrückt, sich in der Politik zu engagieren.

Und in den anderen Ländern? Da sieht es doch auch nicht besser aus – es hat den Anschein, als würden die Topleute in den Ländern einen weiten Bogen um die Politik machen und diese den Profilneurotikern und Apparatschiks überlassen, die schmerzfrei genug sind, sich durch ihre jeweiligen Parteiapparate durchzulutschen, bis sie eines Tages so weit sind, dass sie sich um hohe Ämter bewerben können.

Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, das gesamte Funktionieren der Politik zu hinterfragen und neue Formate zu finden. Das Beste, was in diesem Zusammenhang gerade angeboten wird, ist die Initiative der Zivilgesellschaft in Frankreich, die eine eigene Vorwahl organisiert, für die sich mehr als 86.000 Menschen eingetragen haben – mehr, als einige der „Volksparteien“ Mitglieder haben. Trump, Clinton, Merkel, Gabriel Petry, Hollande, Sarkozy, Le Pen – so richtig muss sich wohl niemand über das lustig lachen, was gerade in den USA läuft.

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