Wann kippt die Stimmung der Europäer gegen Europa?
Eine Umfrage zeigt, dass die Menschen in Europa der europäischen Verwaltung und Politik immer kritischer gegenüberstehen. Wie lange das wohl noch gut geht?
(KL) – Anfang Dezember führte das französische Meinungsforschungs-Institut OpinionWay für den „Figaro“ eine Untersuchung durch, wie sehr die Menschen in den Ländern der EU hinter Europa stehen. Die Ergebnisse sollten den EU-Verantwortlichen zu Denken geben, doch ist es eher unwahrscheinlich, dass sich die Institutionen wie Kommission oder Parlament einmal selbst hinterfragen. Zu stark sind die Interessensvertretungen der Wirtschaft in Brüssel. Doch wenn sich Europa noch weiter von seinen Bürgerinnen und Bürgern entfernt, dann nährt dies nicht nur die starken rechtsextremen Tendenzen in ganz Europa, sondern wird auch zur Situation führen, dass sich eines Tages in nicht allzu weiter Ferne die Menschen endgültig von der europäischen Idee verabschieden werden. Was richtig schlecht wäre.
In sechs Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Spanien und Italien) wurde einer repräsentativen Gruppe die Frage gestellt „Wenn in Ihrem Land eine Volksabstimmung über die Zugehörigkeit Ihres Landes zur Europäischen Union durchgeführt würde, wie würden Sie abstimmen?“. Die Ergebnisse dürften diejenigen schockieren, die von einer wirklich europäischen Entwicklung träumen, während vermutlich viele EU-Politiker die gleichen Ergebnisse als Bestätigung ihrer Arbeit interpretieren dürften. Was sie wohl so lange tun werden, bis Europa die Bürgerinnen und Bürger weggelaufen sein werden.
Momentan gibt es zum Glück nur ein Land bei den untersuchten Mitgliedsstaaten, in dem die Umfrage eine Mehrheit für „Ich würde dafür stimmen, dass mein Land aus der EU aussteigt“ ergab – Großbritannien. 42 % würden im Moment für einen Ausstieg plädieren und nur 37 % für den Verbleib in der EU. Den Ausschlag würden dann die 21 % „Weiß nicht“ geben. In den Niederlanden steht die EU auch bereits auf der Kippe. Zwar sind immer noch 41 % der Niederländer für einen Verbleib in der EU; dafür aber auch 39 % dagegen und auch hier würden, gäbe es tatsächlich eine Abstimmung, die 20 % Unentschlossenen den Unterschied machen.
In Spanien (67 % für einen Verbleib in der EU), Deutschland (64 %), Italien (58 %) und Frankreich (55 %) sind zwar die Mehrheiten ziemlich klar für den Verbleib in der EU, doch muss man das einmal unter einem anderen Gesichtspunkt betrachten – nämlich unter dem, dass die EU eigentlich so gut arbeiten müsste, dass sie eine Zustimmung von 90 % der europäischen Bürgerinnen und Bürger haben müsste. Doch diese Zustimmung für die europäische Idee hat in den letzten Jahren eine fast ausschließlich an den Interessen der Finanzmärkte ausgerichtete EU-Politik verspielt. Auch das europäische Versagen in der Außen-, der Flüchtlings-, der Sozialpolitik, gekoppelt mit so jämmerlichen Vorstellungen wie dem Umgang mit einem Edward Snowden, hat dafür gesorgt, dass die Menschen „Europa“ nicht mehr als Garanten für Frieden und Wohlstand für alle Europäerinnen und Europäer empfinden, sondern im Gegenteil, als Bedrohung für den sozialen Frieden zwischen den europäischen Ländern.
Natürlich hat Europa ein Managementproblem. Die Repräsentanten der europäischen Institutionen werden von den Menschen als diejenigen betrachtet, die persönlich für einen guten Teil der europäischen Krisen verantwortlich sind, was natürlich das Vertrauen schmälert, dass diese Personen in der Lage sind, den von ihnen auf nationaler Ebene angerichteten Schaden auf europäischer Ebene beheben zu können.
Noch wollen die Menschen mehrheitlich „Europa“. Aber nicht das Europa der Banken, der Finanzmärkte, der Spekulanten und der Rüstungsindustrie, sondern das „Europa der Bürger und des Friedens“. Doch diese Hoffnung schwindet immer weiter und speziell die Personalie Juncker hat dieses Misstrauen weiter vertieft.
Europa muss 2015 ganz massiv umdenken. Die Institutionen müssen sich endlich mehr hin zu den Bedürfnissen und Sorgen der Menschen orientieren und sich endlich trauen, der Lobbyarbeit von Interessensvertretern der Wirtschaft in Brüssel einen Riegel vorzuschieben. Bevor eines Tages die Europapolitik feststellen muss, dass ihr die Menschen weggelaufen sind. Denn diese Entwicklung hat definitiv bereits begonnen.
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