Wann schaltet die „Ampel“ auf rot?
Rien ne va plus in der Berliner Koalition, in der inzwischen kein Thema mehr im Konsens durchgeht. FDP und Grüne liegen im Dauerzoff und die SPD kann die Wogen auch nicht mehr glätten.
(KL) – Sahra Wagenknecht (BSZ) formuliert es deutlich: „Die Scheidungspapiere in der Ampel sind unterzeichnet“, sagt sie, „da wäre es das Beste, würde man Neuwahlen ausschreiben“. Angesichts der katastrophalen Umfragewerte für die drei Ampel-Parteien wäre das in der Tat eine Überlegung wert, doch da die drei Parteien SPD, FDP und Grüne genau wissen, dass sie nach Neuwahlen höchstens noch in der Opposition sitzen, werden sie alles daran setzen, Neuwahlen zu verhindern.
Die Situation ist durchaus mit der in Frankreich vergleichbar. Bei Zustimmungswerten von unter 20 % bezeichnet sich die Macron-Partei „Renaissance“ (ein drolliger Name für eine Partei, „Wiedergeburt“…) weiterhin tapfer als die „majorité présidentielle“, also die „präsidiale Mehrheit“, obwohl inzwischen vier von fünf Franzosen dem Macron-Verein die Gefolgschaft aufgekündigt haben. Hüben wie drüben klammert man sich an der Macht fest, wohl wissend, dass ein vorgezogener Urnengang das Ende der aktuellen Regierungen in Paris und Berlin bedeuten würde.
In der Tat liegen die Probleme der Ampel tief, sehr tief sogar. Der FDP-Vize Wolfgang Kubicki sprach bereits von einem grundlegend verschiedenen Staatsverständnis zwischen den Ampelparteien und daneben saß grinsend Friedrich Merz von der CDU, der noch nie in ein Amt gewählt wurde, der noch nie irgendetwas Bemerkenswertes in der Politik geleistet hat und der momentan einfach davon profitiert, dass der politische Wettbewerb noch weniger auf die Reihe bekommt als er selbst. Und so ist ausgerechnet der ehemalige Blackrock-Manager Merz der erste Favorit auf die Nachfolge von Olaf Scholz, was dieser natürlich so lange wie möglich hinauszögern will.
In Deutschland könnte sich die „Ampel“ eventuell doch bis zur nächsten Bundestagswahl durchhangeln, denn diese findet bereits 2025 statt. In Frankreich wird dagegen erst 2027 wieder gewählt und somit kommt der Europawahl am 9. Juni in beiden Ländern eine besondere Bedeutung zu. Sollten die Regierungsparteien gar zu schlecht abschneiden, was sich gerade abzeichnet, könnte es zumindest in Frankreich doch zu Neuwahlen kommen, denn weitere drei Jahre gegen die eigene Bevölkerung zu regieren, könnte schwierig werden.
Gewiss, in Deutschland läuft der politische Betrieb ein wenig weniger aufgeregt als in Frankreich, doch im Grunde ist das Problem das gleiche – beide Länder haben Regierungen, die vor lauter Nabelschau ihre Bevölkerungen verloren haben. Doch weder die Ampel, noch die Macronie kommen auf die Idee, sich selbst zu hinterfragen. Und das wird sie in absehbarer Zeit die Macht kosten, in Frankreich wie in Deutschland.
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