War da nicht noch was?

Seit dem letzten Brüsseler Gipfel ist das Thema "Brexit" fast vollständig aus den Schlagzeilen verschwunden. Und alle erscheinen darüber erleichtert zu sein. Doch das Thema gärt weiter.

Der "Brexit-Ziegelstein" - schwimmt so gut wie der Brexit selbst... Foto: Ashley Basil / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Offenbar sind momentan alle ganz glücklich damit, dass der Brexit aus den Schlagzeilen der Medien verschwunden ist. Wir machen alle die Augen zu und dann ist er nicht mehr da, der Brexit. Doch leider ist es nicht so einfach und die Tatsache, dass auch das britische Parlament zum „Business as usual“ zurückgekehrt ist und so tut, als gäbe es den Brexit gar nicht, kann niemanden beruhigen. Denn das bedeutet, dass Theresa May und Konsorten vermutlich erst wieder wenige Tage vor dem nächsten Brexit-Termin anfangen werden nachzudenken, wie sie den Brexit eigentlich bewerkstelligen wollen. Doch Theresa May täuscht sich, wenn sie denkt, dass sie nur immer und immer wieder ihren abgelehnten Plan zur Abstimmung bringen muss, damit er irgendwann angenommen wird.

Doch wozu wurde der Regierung May eigentlich eine dritte Fristverlängerung eingeräumt. Als kleine Atempause? Oder dazu, dass sich die Briten endlich entscheiden, was sie eigentlich wollen? Doch in Westminster scheint der Brexit aktuell gar kein Thema mehr zu sein. Das Unterhaus bereitet sich gerade auf eine Debatte darüber vor, wie man die Klimaziele und Emissions-Reduktionen schneller als geplant bewerkstelligen kann, was sicher richtig und wichtig ist, doch eigentlich hätte man eher erwartet, dass sich das britische Parlament auch weiterhin mit der nicht ganz unbedeutenden Frage beschäftigt, wie eigentlich die Zukunft des Landes aussehen soll. Doch das scheint gerade nicht mehr das ganz große Thema zu sein.

Knapp fünf Wochen vor der Europawahl Ende Mai ist dieses britische Phlegma mehr als irritierend. Aufgrund des „wait and see“ des britischen Parlaments wissen die anderen 27 EU-Mitgliedsstaaten nicht einmal, wie viele Abgeordnete sie ins nächste Europäische Parlament entsenden können. Und heute weiß niemand, ob die Briten nun an der Europawahl teilnehmen oder nicht, ob sie am 2. Juli, wenn das neue Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentritt, Abgeordnete entsenden werden und wenn ja, für wie lange und dieses britische Chaos hat inzwischen ganz Europa erfasst. Die einzigen, die aktuell nicht einmal intern Redebedarf zu diesem Thema haben, sind – die Briten.

Es ist offensichtlich, dass sich die britische Regierung völlig verrannt hat. Sie hat ein nicht bindendes Referendum, das auf der Grundlage dreister Lügen durchgeführt wurde, in einen „politischen Auftrag“ umgemünzt, um für einige nationalistische Kräfte im Land eine wählbare Alternative zu sein. Doch der Versuch, aus innenpolitischem Machtkalkül heraus die Zukunft des eigenen Landes und teilweise Europas zu gefährden, ist politisch kurzsichtig und geradezu dumm.

Wir sollten dafür sorgen, dass das Thema „Brexit“ nun nicht so lange totgeschwiegen wird, bis es wieder 5 nach 12 ist – es kann nicht Aufgabe der EU sein, ihr eigenes Funktionieren zu gefährden, weil Großbritannien es nicht schafft, seine innenpolitischen Probleme zu bewältigen. Doch solange eine Theresa May und ein Jeremy Corbyn die Geschicke Großbritanniens in der Hand halten, wird dieses Shakespeare-Drama unvermindert weitergehen. Es wäre an der Zeit, dass die britische Regierung aufwacht und diesen Albtraum beendet, bevor noch größere Schäden entstehen. Aussitzen wird man das Thema „Brexit“ nicht können.

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