War es das jetzt?

„Akt 19“ war der erste Demonstrations-Samstag seit langem, der relativ friedlich verlief: War es das jetzt mit den Gelbwesten in Frankreich? Sicherlich nicht...

So wirr manche der Forderungen der Gelbwesten auch sind, die Krise ist noch lange nicht vorbei. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Innenminister Christophe Castaner hatte sich vor dem Wochenende martialisch gegeben. „Zero Tolerance“, verstärkter Einsatz von Hartgummi-Geschossen, Demonstrationsverbote, Kontrollen und Verhaftungen, das ganze Programm erwartete die Gelbwesten am Samstag. Und erstaunlicherweise blieben sowohl die Black Blocks als auch die Neonazis der samstäglichen Demonstration fern. In vielen Städten verliefen die Demonstrationen friedlich, bis auf Nizza, wo es zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizei kam, bei denen eine ältere Dame schwer verletzt wurde. Ob sie von Mitdemonstranten oder Polizisten zu Fall gebracht wurde, muss nun eine Untersuchung klären. Doch vorbei ist es mit den „Akten“ noch lange nicht.

Frankreich ist heute tief gespalten. 19 Wochen der Besetzung von Verkehrskreiseln, von Mautstellen auf den Autobahnen, von gewalttätigen Demonstrationen und der Weigerung der Gelbwesten, in einen konstruktiven Dialog mit den übrigen Franzosen zu treten, haben einen tiefen Riss durch die Gesellschaft gezogen. Und solange Präsident Macron nicht auf die seit Monaten andauernden sozialen Unruhen reagiert, wird sich das Land auch nicht beruhigen.

Angesichts der sozialen Forderungen, um die herum sich diese Bewegung gebildet hat, muss der Präsident reagieren, denn die meisten dieser sozialen Forderungen sind nach wie vor in Frankreich mehrheitsfähig. Dass die „Akte“ inzwischen Schauplatz für Gewaltexzesse geworden sind, stört allerdings mittlerweile doch die Mehrheit der Franzosen. In dieser Gemengelage dürften repressive Maßnahmen wie das „Anti-Schläger-Gesetz“, das innerhalb von Tagen durch das französische Parlament segelte, nichts. Und die Franzosen wundern sich, dass man innerhalb von Tagen solche repressiven Maßnahmen beschließen kann, es aber gleichzeitig nicht schafft, ernsthaft an den sozialen Forderungen zu arbeiten, die seit Monaten auf dem Tisch liegen.

Der samstägliche Stress wird so lange weitergehen, bis die Regierung Greifbares auf den Tisch legt. Und angesichts der repressiven Maßnahmen gegen diese Demonstrationen werden die Gelbwesten auch zu anderen Aktionsformen greifen – Frankreich wird so lange nicht zur Ruhe kommen, bis Macron liefert. Doch genau das ist die große Schwäche des französischen Präsidenten – er redet viel und handelt wenig.

Die „neue Welt“, die Emmanuel Macron vor seiner Wahl versprochen hat, ist leider nur die Amateur-Version der „alten Welt“, gegen die Macron angetreten war. Der Präsident hat sich in seiner ganz eigenen Welt eingeschlossen, einer Welt, in der er aufgrund göttlicher Fügung das Land verändert. Dass er Frankreich gerade an den sozialen Abgrund führt, das bekommt er offenbar nicht mit und seine Berater trauen sich nicht, es ihm zu sagen.

Aktuell läuft die Auswertung der „Großen Nationalen Debatten“, die bis zum 15. März im ganzen Land stattgefunden haben. Das wird noch eine Weile dauern und es ist schwer nachvollziehbar, warum Macron nicht bereits mit den besten Experten des Landes an konkreten Sozialpakten arbeitet, sind doch die sozialen Hauptforderungen bekannt und werden durch die Auswertung der „Großen Nationalen Debatten“ lediglich bestätigt werden. Emmanuel Macron ist gerade dabei, erneut eine Chance zu verpassen, sein Land aus der Krise zu führen. Ob er es wohl schafft, ähnliche Schäden für sein Land anzurichten wie Theresa May? Es sieht fast danach aus…

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