Warum das EU-Parlament die neue Kommission ablehnen sollte

Jean-Claude Juncker hat bei der komplizierten Aufgabe, 28 Länder zufrieden zu stellen, einige Besetzungen der Kommissarposten vorgenommen, bei denen man sich nur wundern kann.

Nur das Europäische Parlament kann die Europäer noch vor dieser Kommission bewahren. Doch das wird nicht passieren. Foto: © Kai Littmann

(KL) – Die EU-Abgeordneten werden sich nicht trauen. Sie könnten zwar die ganze vorgeschlagene EU-Kommission samt Präsidenten Juncker nach Hause schicken und den Luxemburger auffordern, ihnen eine andere Kommission vorzuschlagen, aber das werden sie sich nicht trauen. Aus Gründen der Parteidisziplin. Und weil es ja so schwierig ist, Kompromisse zu finden, mit denen alle zufrieden sind. Nun sind die Abgeordneten und Brüssel zufrieden, aber die Menschen in Europa werden bald merken, was für eine Truppe die EU-Abgeordneten dort durchgewunken haben werden. Dabei wäre es ihre Aufgabe, genau diese Kommission zu verhindern. Im Interesse der 500 Millionen Europäerinnen und Europäer.

Den Spanier Miguel Arias Canete hatten wir Ihnen ja schon vorgestellt. Der neue Energiekommissar, der nicht nur wegen seiner großen Zuliefererfirma für Energiekonzerne, die mehrere Jahre prächtig von Staatsaufträgen lebte, in der Kritik steht, sondern auch wegen frauenfeindlicher Äußerungen, wäre allein schon ein Grund, die ganze Truppe durchfallen zu lassen. Die Irreführungen der Schwedin Cecilia Malström zum Thema TTIP sollten bereits ausreichen, der vorgeschlagenen Kommission das Vertrauen vorzuenthalten.

Der Brite Jonathan Hill wird als Kommissar für Finanzstabilität, Finanzdienste und Kapitalmarkt zuständig sein. Ein Brite! Aus einem Land, das den Euro abgelehnt hat, das einzig und allein den Finanzmarkt London schützen und abschotten will, aus einem Land, das 2017 darüber abstimmen will, ob es in der EU bleibt, aus einem Land, dessen Europa-Devise seit Maggie Thatcher “I want my money back” lautet? Dazu Pierre Moscivici, der Franzose, der für Wirtschaft, Währung und Steuer verantwortlich zeichnen wird. Und zu den Politikern gehört, die mit dafür gesorgt haben, dass Frankreich vor allem mit Wirtschaft, Währung und Steuer nicht klar kommt.

Den Vogel schießt aber der neue Kommissar für Kultur, Bildung, Jugend und Bürgerrechte ab. Tibor Navracsics, ein ungarischer nationalistischer Rechtsaußen der Fidesz, der Partei des wegen seines gestörten Demokratieverständnisses kritisierten Regierungschefs Viktor Orbán, ist ungefähr die schlechteste Wahl für diesen Posten, die man sich vorstellen kann.

Die rechtsnationale Fidesz, die dank ihrer 2/3-Mehrheit im ungarischen Parlament jedes noch so abstruse Gesetz durchboxen kann, fiel erstmals richtig unangenehm auf, als faktisch die Pressefreiheit ausgehebelt wurde und kleine, unabhängige Medien schlicht mundtot gemacht wurden. Woran auch die lahmen Proteste aus Brüssel nichts änderten. Auch im Umgang mit Minderheiten sind die Rechtsnationalen wenig zimperlich – es herrscht ein rauer Ton in Ungarn.

Und dieser Mensch soll nun ausgerechnet für Bürgerrechte in Europa sein? Nachdem er sie in seinem Land bereits zum Teil abgeschafft hat? Und für Kultur, sprich den freien und kreativen Begegnungen zwischen Europäern? Wo er in Ungarn bereits erfolgreich verhindert, dass sich die Freidenker und Kreativen öffentlich äußern können? Und wollen wir diesem Menschen auch noch unsere Jugend und deren Bildung anvertrauen? Dies ist nicht nur eine Fehlbesetzung, sondern geradezu ein Anschlag auf die Bürgerrechte in der EU!

Auch, wenn anderen Kommissarsposten durchaus kompetent besetzt sind, darf eine solche Kommission nicht vom Parlament abgenickt werden. Wird sie aber. Und niemand sollte sich wundern, wenn bei der nächsten Europawahl wirklich niemand mehr hingeht.

Sie finden Zusammenfassungen der Anhörungen der Kandidaten für die Kommissarsposten unter www.europarltv.europa.eu/de/home.aspx.

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