Warum der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ purer Zynismus ist

Die deutschen Kommunen fordern, das Kosovo als „sicheres Drittland“ zu definieren, um Asylbewerber aus diesem Land möglichst schnell wieder abschieben zu können.

Menschen, die genötigt sind, ihre Heimat zu verlassen, verdienen Schutz und Hilfe - gleich, warum sie von zuhause weg mussten. Foto: Fraktion DIE LINKE im Bundestag / Wikimedia Commons / CC-BY 3.0

(KL) – In der Diskussion um Einwanderung und das Miteinander in der Gesellschaft treffen häufig sehr entgegen gesetzte Meinungen aufeinander. Doch in einem Punkt sind sich die meisten einig – es kann nicht unsere Aufgabe sein, „Wirtschaftsflüchtlinge“ aufzunehmen. Doch diese Haltung ist Zynismus pur. Die westliche Welt mit ihrem kapitalistischen System hat die Länder des Südens über Jahrhunderte ausgeplündert und dabei erfolgreich verhindert, dass sich in diesen Ländern eine erfolgreiche Wirtschaft entwickeln kann. Dazu unterstützt der Westen seit jeher auch totalitäre Systeme und deren Diktatoren, die ihre Völker aushungern. Dass die Menschen, die in solchen Ländern keine Lebensgrundlage für sich und ihre Familien haben, ist ein ausreichender Grund, sein Glück anderswo zu versuchen.

Denn eigentlich sollten wir es besser wissen. Auch Deutschland hat eine lange Tradition von „Wirtschaftsflüchtlingen“, wie beispielsweise die Auswanderungswellen in die USA, die ganz überwiegend dadurch motiviert war, dass die Auswanderer keine Lebensgrundlage mehr in Deutschland sahen.

Wir selbst und unser Wirtschaftssystem spielen bei dieser Frage eine zentrale Rolle. Wenn wir, Deutschland ist immerhin stolz darauf, „Exportweltmeister“ zu sein, unser Geld dort verdienen, wo die Menschen kaum etwas haben, dann dürfen wir uns nicht beschweren, wenn diese Menschen bei uns anklopfen, weil sie auch in materieller Sicherheit leben und nicht verhungern wollen. Und wir sollten uns auch langsam klarmachen, dass es nicht die Aufgabe der Weltbevölkerung ist, ihren Beitrag dazu zu leisten, dass vor deutschen Reihenhäusern große Limousinen parken und unseren Wohlstand zu sichern.

Da reicht es auch nicht, zu Weihnachten für die Armen in der Dritten Welt zu spenden, ansonsten aber im Rahmen von „Entwicklungshilfe“ veraltetes Industrie- und Kriesgerät an korrupte Diktatoren zu liefern und zu meinen, damit hätten wir genug Beitrag zur „Stabilität“ in diesen Ländern geleistet.

Unser Wohlstand, der auf dem Rücken von Milliarden Menschen aufgebaut ist, denen es deutlich schlechter geht als uns, ist nämlich eine Verpflichtung, denen zu helfen, denen es schlechter geht als uns. Die Welt ist heute globalisiert und wir machen es uns zu einfach, wenn wir meinen, dass es uns nichts angeht, wenn die Menschen anderswo verhungern oder einfach „nur“ viel schlechter leben.

Dass politische, religiöse oder rassistische Verfolgung ein Asylgrund ist, braucht man nicht weiter zu diskutieren. Doch auch soziales Elend ist einer der Gründe, der Menschen dazu treibt, ihre Heimat zu verlassen und das Überleben in anderen Ländern zu suchen. Genauso, wie wir es im 18. und 19. und 20. Jahrhundert gemacht haben, als Millionen Deutscher in die USA und in andere Länder ausgewandert sind.

Solidarität heißt nicht, dass die Welt mit uns solidarisch sein muss und uns ja nicht zu sehr belastet, sondern vor allem, dass wir mit den Schwächsten solidarisch sein müssen. Ob uns das nun gefällt oder nicht. Alles andere ist einfach nur zynisch. Weswegen wir den Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ möglichst schnell aus unserem Wortschatz streichen sollten.

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