Warum Deutschland Emmanuel Macron unterstützen muss

Der neue französische Präsident könnte der letzte Schutzdamm vor dem europäischen Neonationalismus sein. Ihn zu unterstützen ist die einzige Option.

Deutschland hat gar keine Wahl - Berlin MUSS Emmanuel Macron unterstützen, wie es nur geht! Foto: Lorie Shaull / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der neue französische Präsident war, wenn man alle Zahlen analysiert, nicht der Herzenskandidat der Franzosen, den gab es nämlich gar nicht. Überzeugen konnte Emmanuel Macron ein rundes Viertel der Franzosen, doch das reicht heutzutage bereits, um Präsident zu werden. Dass Macron gewählt wurde, verdankt er weniger seinem Programm (das sich eigentlich auf „wir werden alles anders machen“ beschränkt), als vielmehr der Tatsache, dass die Franzosen verständlicherweise keine Lust hatten, ihr Land dem rechtsextremen Le Pen-Clan anzuvertrauen. Doch all das war vorher – jetzt gibt es den Präsidenten Macron und mit dieser Situation muss Frankreich umgehen. Deutschland auch. Europa auch.

Macron hat, was ihm viele nicht abnehmen, dem „politischen Establishment“ den Kampf angesagt und will nun mit neuen, unverbrauchten Kandidaten und Kandidatinnen in die Parlamentswahl ziehen, in allen 577 Wahlkreisen. Diese Parlamentswahlen sind extrem wichtig, denn in Frankreich kann der Präsident nicht ohne das Parlament regieren, umgekehrt das Parlament aber auch nicht ohne den Präsidenten. Das Schreckgespenst, das es bei der Parlamentswahl zu verhindern gilt, heißt „Cohabitation“ – dieser Begriff bezeichnet die Situation, in der Präsident und Regierungschef nicht aus dem gleichen Lager kommen. Die „Cohabitation“ ist schlimmer als die „Große Koalition“ – und gleichbedeutend mit einer politischen Lähmung des Landes.

Das wiederum bedeutet, dass Macron ohne eine eigene Mehrheit im Parlament keine Chance hätte, echte Reformen zu initiieren, was gleichbedeutend mit seinem Scheitern wäre – und dieses Scheitern kann sich weder Frankreich noch Europa leisten, denn es wäre gleichbedeutend mit dem endgültigen Durchbruch der Rechtsextremen.

Die Franzosen wären also gut beraten, wenn sie bei der Parlamentswahl kein zersplittertes Parlament wählen würden, sondern ihrem neuen Präsidenten die Möglichkeit gäben, tatsächlich innovativ zu arbeiten. Und der einzige Weg dorthin ist es, bei der Parlamentswahl den Kandidaten und Kandidatinnen von „La République en Marche“ die notwendigen Sitze im Parlament zu geben.

Doch auch die europäischen Partner sind gefordert, in allererster Linie Deutschland. Deutschland muss seine Europapolitik grundlegend ändern und gemeinsam mit Macron einen deutsch-französischen Ansatz für europäische Reformen erarbeiten, mit denen endlich frischer Wind ins verkrustete Europa kommt. Dies bedeutet im Klartext, dass sich Angela Merkel und Wolfgang Schäuble von ihrer Austeritätspolitik verabschieden müssen und auf Macron zugehen. Und ihn in jeder nur erdenklichen Weise unterstützen.

Die Frage, ob man Macron gut findet oder ihm vertraut, stellt sich nicht mehr. Diese Frage wurde eingehend vor der Wahl diskutiert, jetzt ist der Präsident Macron eine Realität und es reicht nicht, sich zu freuen, dass Marine Le Pen nicht gewählt wurde – jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, die hübschen Sonntagsreden zur deutsch-französischen Freundschaft beiseite zu lassen und ernsthaft mit Paris zusammenzuarbeiten, auch wenn das bedeutet, dass Deutschland endlich damit aufhört, Europa zu „germanisieren“.

Die deutsche Europapolitik gehört zu den Gründen, warum viele europäische Länder zur Zeit starke neonationalistische Strömungen erleben – denn das „Brüsseler Diktat“, das vielerorts kritisiert wird, ist im Grunde nichts anderes als das „Berliner Diktat“ und jetzt ist der richtige Zeitpunkt, diese Tendenz umzukehren. Und zwar gemeinsam mit Frankreich, schon aus ureigenem Interesse. Denn sollte die Europäische Union tatsächlich in den nächsten Jahren diesen neonationalistischen Strömungen zum Opfer fallen, wäre Deutschland der erste Leidtragende.

Emmanuel Macron kann man mögen oder nicht, man kann ihm vertrauen oder nicht, man kann seine Einstellungen teilen oder nicht, doch ist er eine der festen Größen für die nächsten Jahre in Europa. Eine enge Zusammenarbeit mit ihm ist folglich keine Option, sondern ein Imperativ, wenn man verhindern möchte, dass Europa nach und nach Extremisten in die Hände fällt.

Berlin und Deutschland sind nun gefordert, den alten Reflex der schönfärbenden Sonntagsreden abzulegen, die Ärmel hochzukrempeln und wirklich mit Emmanuel Macron und Frankreich zusammen zu arbeiten.

Europas Zukunft ist nicht links oder rechts, sie ist oder sie ist nicht. Wenn Berlin und Paris jetzt nicht eine ganz neue Ebene der Zusammenarbeit suchen und finden, sind beide daran Schuld, wenn Europa den Schritt zurück in eine längst überwunden geglaubte Vergangenheit macht. Durch die Wahl Macrons eröffnen sich neue Perspektiven für Frankreich und Europa – diese Chance ungenutzt verstreichen zu lassen, wäre verantwortungslos.

1 Kommentar zu Warum Deutschland Emmanuel Macron unterstützen muss

  1. Mario Andes // 19. Juni 2017 um 19:49 // Antworten

    Der Sieg von E. Macron war kein Zufall!
    Sein Werdegang von der Schule bis in die vorherige Regierung von Hollande hat ihn geprägt (Literatur, Geschichte, Politik) und zum fortschrittlichen Sozialisten gemacht.
    Er kennt die Probleme Frankreichs genau und hat noch den “Biß”, Frankreich wieder wachzurütteln. Die letzte Parlamentswahl hat das beeindruckend gezeigt, “La France En Marche”, unverbrauchte Quereinsteiger, tun Alles, das Land wieder auf den Weg nach Europa, unter Übrigem, mit Deutschland an der Seite, zu bringen. Merkel und Schäuble sollten die Chance nutzen, mit E. Macron wieder für Europa zu arbeiten.

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