Warum Erdogan einen Krieg braucht

Das militärische Gebaren und das verbale Muskelrollen der Türkei in Richtung Griechenland hat mehr mit den inneren Problemen der Türkei als mit der Absicht zu tun, gegen die EU und die NATO Krieg zu führen.

Im Ägäischen Meer sollen Erdgas-Vorkommen schlummern. Foto: Nzeemin / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Recep Tayyip Erdogan hat ein wenig etwas von Wladimir Putin. Durch ihr Macho-Gehabe versuchen beide (und von der Sorte gibt es noch jede Menge anderer Exemplare) ihren Völkern das Bild eines gesunden, starken und entschlossenen Führers zu präsentieren. Doch Erdogan hat ein Problem – sein Land bricht gerade wirtschaftlich zusammen und nach seinen unglaublichen Aktionen (Syrien, Kurdenkrieg, Libyen, Drohungen in Richtung EU, unklares Verhältnis zum „Islamischen Staat“ etc.) findet der türkische Machthaber keine neuen Freunde mehr. Und das merkt man langsam in der Türkei. Bevor sich die Situation komplett gegen ihn wendet, braucht er nun eben einen Krieg. Die Gelegenheit ist günstig.

Es geht, so die offizielle Lesart, um Erdgas-Vorkommen in der Ägäis und um die zu einem ziemlich schlechten Zeitpunkt verkündete Absicht der griechischen Regierung, die Hoheitsgewässer von 6 auf 12 km ausweiten. Ein Blick auf die Karte zeigt es – mit den Hunderten kleiner und größerer griechischen Inseln, die teilweise wie aufgeschnürt vor der türkischen Küste liegen, war ein leichtes, einen Vorwand zum Säbelrasseln zu finden.

Nur, Erdogan belässt es in der Regel nicht beim Säbelrasseln, sondern nimmt an so ziemlich jedem Krieg teil, der sich bietet. Und wenn man dafür Truppen bis ins entfernte Libyen schicken muss. Die Taktik ist uralt. Schwerste innenpolitische Probleme führen zur Suche nach einem äußeren Feind. Nichts eint ein unzufriedenes oder zerrissenes Volk mehr als der äußere Feind. Als die britische Premierministerin Maggie Thatcher von Arbeitslosigkeit im Land und schlechten Umfragen gepeinigt sah und gleichzeitig die Militärjunta in Argentinien unter General Videla immer mehr Druck bekam, waren beide sichtlich zufrieden, dass sie ihre Soldaten auf die Falkland-Inseln schicken konnten. Eine Handvoll unwirtlicher Inseln, die beide Länder für sich reklamierten. Ein medial perfekt aufbereiteter Krieg, der die Briten gegen die Argentinier und diese gegen die Briten aufbrachte und einte.

Seit Tagen droht Erdogan, die EU berät über Sanktionen und alle Beteiligten gehen nicht etwa in den Krisen-Management-Modus, sondern gießen fleißig Öl ins Feuer der Kriegstreiber. Nur – wie will man aus dieser Situation herauskommen? Erdogan spricht von der „Bereitschaft zum Märtyrertod“ und geht in eine Offensive, aus der er nur schwer ohne Gesichtsverlust gegenüber einem national aufgepeitschten Eifer die Kurve bekommen könnte.

EU und NATO müssen nun schnell überlegen, wie sie mit einer Situation umgehen werden, deren Eintreffen immer wahrscheinlicher wird. Wenn die Türkei tatsächlich Griechenland militärisch angreifen sollte, können NATO und die europäischen Instanzen nicht so tun, als ginge sie das nichts an. Aber wie sieht das Prozedere aus, wenn der Verteidigungsfall von einem anderen NATO-Mitglied ausgelöst wird.

Man wird aufmerksam verfolgen müssen, wie Erdogan auf seinem Weg zu einem „Ottomanischen Reich 2.0“ weitermacht. Es brauen sich heftige Wolken über der Ägäis zusammen…

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