Warum Fessenheim so schnell nicht abgeschaltet wird
Die seit 2012 immer wieder gemachte Ankündigung der Schließung des Atomkraftwerks Fessenheim ist weit davon entfernt umgesetzt zu werden. Schuld daran sind Schlampereien an der Atlantikküste.
(KL) – Seit 2012 schwankt die Region am Oberrhein zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Hoffnung, dass die Ankündigung der Abschaltung von Fessenheim endlich Wirklichkeit wird, Enttäuschung, weil dies nicht passiert. Da nützt es wenig, dass ständig neue „Kommissare“ für die Schließung von Fessenheim ernannt werden, dass sich Staatssekretäre und Minister vor Ort mit ernster Miene selbst davon überzeugen, dass das Dorf Fessenheim in der Zeit nach der Atomkraft ins finstere Mittelalter zurückfallen wird, dass immer wieder betont wird, dass die Abschaltung des ältesten Atomkraftwerks Frankreichs unmittelbar vor der Tür steht. Denn entgegen anders lautender Aussagen stimmt dies nicht. Schuld daran ist die frühere französische Umweltministerin Ségolène Royal.
Denn Ségolène Royal war es, die dem französischen Staatsmonopolisten EdF erlaubten, die Anschaltung von Fessenheim an die Inbetriebnahme eines anderen AKWs zu koppeln, nämlich in Flamanville an der Atlantikküste. Für die Genehmigung für den Bau von Flamanville durfte sich EdF ein anderes Atomkraftwerk aussuchen, das dafür abgeschaltet werden soll. Die politische Wahl des ältesten Atomkraftwerks Frankreichs in Fessenheim passte EdF allerdings nicht so richtig, denn mit zwei Reaktorblöcken produziert Fessenheim mehr Strom als Kraftwerke mit nur einem Reaktorblock. Und seitdem spielen alle auf Zeit. Mit Erfolg.
Denn das Problem heißt inzwischen schon gar nicht mehr Fessenheim (hier hat man sich schon fast an die zahllosen Pannen und Abschaltungen gewöhnt…), nein, das Problem heißt Flamanville, dessen Baufälligkeit bereits VOR der Inbetriebnahme feststeht. Die Pannen in Flamanville häufen sich nicht nur, sondern könnten sogar dafür sorgen, dass Flamanville eine milliardenschwere Investitionsruine wird, während Fessenheim munter weiterläuft.
Momentan ist man in Flamanville dabei, defekte Schweißnähte zu reparieren, was die ursprünglich für Ende 2018 vorgesehene Einbringung der ersten Brennelemente um mindestens ein Jahr verzögert. Frage: Wieso sind eigentlich bei einem funkelnagelneuen Bau noch vor Inbetriebnahme die Schweißnähte defekt? Dann hat EdF bereits angekündigt, dass aufgrund von Materialproblemen der Reaktordeckel ausgetauscht werden muss. Warum man das nicht VOR der Inbetriebnahme, sondern danach plant, ist rätselhaft. Doch auch das ist nicht das größte Problem. Das größte Problem ist, dass der fest verbaute Reaktorboden aus dem gleichen Material ist wie der Reaktordeckel. Doch den Reaktorboden wieder auszubauen wäre gleichbedeutend mit dem Abriss des gesamten Baus, der danach wieder von Null aufgebaut werden müsste.
Dieser Umstand ist bereits länger bekannt, wurde aber kaum öffentlich diskutiert, vermutlich weil sich niemand vorstellen konnte, dass es ausgerechnet bei Bau eines so hoch sensiblen Gebäudes wie eines Atomkraftwerks zu „Pfusch am Bau“ kommen könnte. Bereits vor Jahren zirkulierte die Information, dass die beim Bau von Reaktorboden und –Deckel verwendeten Materialien nicht die im Reaktorbecken auftretenden Extremtemperaturen verträgt. Damals zuckten alle mit den Schultern und wiesen darauf hin, dass man das Herzstück von Flamanville nun nicht einfach wieder ausbauen könne.
Aber was bedeutet das? Axel Mayer vom BUND Südbaden ist skeptisch, dass der geplante Abschaltungstermin für Fessenheim 2019 eingehalten werden kann. Niemand weiß, wie sich EdF verhalten wird, sollte Flamanville nicht ans Netz gehen können. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass EdF Fessenheim vor einer Inbetriebnahme von Flamanville abschalten würde – im Gegenteil: Um die Probleme in Flamanville wissend, wird EdF Fessenheim vorläufig erst einmal weiterlaufen lassen, bis gewährleistet ist, dass der Dauerbetrieb von Flamanville sicher möglich ist. Und dieser Zeitpunkt dürfte nach heutigem Kenntnisstand nicht erreicht werden, es sei denn, der Reaktorboden in Flamanville tauscht sich wie durch ein Wunder von selbst aus.
Und so wird Fessenheim immer mehr zu einer unendlichen Geschichte, die sich vielleicht eines Tages schlagartig wie von selbst lösen wird. Diesen Tag sollte man dann rot im Kalender einkringeln (falls man noch dazu kommt), denn an diesem Tag wird der Oberrhein als eine vom Menschen bewohnte Region aufhören zu existieren. Vielleicht kann man dann aber den dann ohnehin auf Jahrtausende verseuchten Oberrhein noch als Endlager für den Atommüll der 56 anderen französischen Atomkraftwerke nutzen, denn die Frage der sicheren Endlagerung für schlappe 25000 Jahre steht auch noch auf der Tagesordnung…
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