Warum flog Alexej Nawalny nach Moskau?

Trotz eines Giftanschlags auf sein Leben in Russland ist Alexej Nawalny nach Moskau geflogen. Erwartungsgemäß wurde er noch am Flughafen verhaftet. Überrascht haben kann ihn das nicht.

Alexej Nawalny muss vor seiner Rückkehr nach Moskau gewusst haben, dass er bei seiner Ankunft verhaftet werden würde... Foto: putnik / Wikimedia Commons / CC-SA-BY 3.0

(KL) – Was hätten die russischen Behörden, von ihrer Warte aus gesehen, anderes machen sollen als Alexej Nawalny bei dessen Einreise in Moskau zu verhaften? Seine Rückkehr nach Russland ist nur schwer nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass der Mann nur ganz knapp einem Giftanschlag auf sein Leben entronnen ist und erst in der Berliner Charité wieder aufgepäppelt werden musste. Natürlich ist das Verhalten der russischen Behörden skandalös und interessanterweise ist der vorgeschobene Grund für Nawalnys Verhaftung der gleiche wie für Julian Assange – Verstoß gegen die Melde- und Bewährungs-Auflagen. Abre ernsthaft, hatte Nawalny ernsthaft damit gerechnet, dass ihn die russischen Behörden problemlos einreisen lassen würden?

Alexej Nawalny ist zwar heute so etwas wie ein Held für alle in Russland, die sich das Denken nicht verbieten lassen wollen. Eine Identifikationsfigur. Ein Mann, der definitiv politische Ambitionen hat und auch eine politische Vergangenheit im Dunstkreis russischer Nationalisten und Extremisten. Taugt der Mann wirklich zum Volkshelden?

Die Verhaftung eines oppositionellen Politikers in einem totalitären Regime ist immer zu verurteilen. Doch Nawalny wusste, was auf ihn zukommt, ja, selbst dass sein Leben in russischer Haft alles andere als sicher ist. Wollte sich Nawalny als „Märtyrer“ inszenieren? Steckt politisches Kalkül hinter seiner Rückkehr?

Vor seinem Abflug erklärte Nawalny, dass er sich als „freier russischer Bürger“ fühle und deswegen keinen Grund sähe, wieder in seine Heimat zu fliegen. Das ist aber ungefähr so, als wäre 1938 ein gerade erst in die Sicherheit geflüchteter Jude in ein Flugzeug nach Deutschland gestiegen, nachdem er erklärt hätte, dass er sich als „freier deutscher Bürger“ fühle – das Ganze wiederspricht dem gesunden Menschenverstand.

Natürlich arbeiten sich jetzt die russischen Behörden an Nawalny ab – sie verbieten ihm den Kontakt zu seinen Anwälten und begehen, wie immer in solchen Fällen, grobe Verstöße gegen das westliche Rechtsverständnis. Kein Wunder, dass sowohl Joe Biden als auch Außenminister Heiko Maas wohlfeil die sofortige Freilassung Nawalnys forderten, wissend, dass diese Appelle ihnen Punkte im eigenen Land bringen werden, die russische Führung aber nicht im Geringsten interessieren.

Gestern nun wurde Nawalny in einem Eilverfahren, das jedem Rechtsstaat zuwider lief, zu 30 Tagen Haft verurteilt, wegen Nichteinhaltung von Bewährungsauflagen. Demnach käme er am 15. Februar wieder frei. Ob dies tatsächlich passieren wird, das wird man abwarten müssen.

Fast könnte man das Gefühl bekommen, als würde die Situation allen Beteiligten entgegenkommen. Die russische Führung kann Härte demonstrieren, die westlichen Politiker, die wohlfeil Nawalnys Freilassung fordern, bekommen gute Presse, da sie ja auf der „richtigen“ Seite stehen und Nawalny selbst hat die Aufmerksamkeit, die er sich für seine politischen Pläne wünscht. Wer weiß, vielleicht erfahren wir irgendwann, was wirklich hinter der „Akte Nawalny“ steckt…

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