Warum französische Bauern die deutsch-französische Grenze geschlossen haben

Zwischen Sonntagabend und Montagmittag haben französische Bauern die deutsch-französischen Rheinbrücken dicht gemacht - und deutsche LKWs zurückgeschickt.

Die französischen Bauern haben völlig Recht, gegen den sie betreffenden deutschen Sozialabbau in der Landwirtschaft zu protestieren. Foto: Pablo029 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Empörung war groß, als im Herbst 2013 der französische Politiker Arnaud Montebourg erklärte, dass in der Bretagne Schlachthöfe schließen müssen, weil die deutsche Landwirtschaft mit unfairen Mitteln arbeiten würde. Leider hatte er Recht – das deutsche „Erfolgsmodell“, dass es ermöglicht hat, dass Deutschland der größte Agrarproduzent Europas werden konnte, basiert auf einem Ausverkauf sozialer Werte. Deswegen haben wütende französische Bauern die Rheinbrücken zwischen Lauterbourg im Norden und Marckolsheim (in Höhe Emmendingen) blockiert und deutsche LKWs zurück geschickt, die Agrarprodukte nach Frankreich transportierten. Und Recht haben sie.

Denn die Großbetriebe der deutschen Landwirtschaft funktionieren nur deshalb so prächtig, weil sie in großer Zahl Billigstarbeitnehmer aus Osteuropa beschäftigen, die als „Kleinunternehmer“ ihre Arbeitskraft zu Dumpingpreisen an die Großbetriebe verkaufen, wodurch diese Sozialabgaben und den normalen Lohn einsparen, den sie einem deutschen Arbeitnehmer zahlen müssten. Dieses System, den Behörden wohl bekannt, funktioniert deshalb so reibungslos, weil alle Beteiligten wohlwollend die Augen schließen – doch in anderen Ländern Europas, in welche die deutsche Agrarindustrie exportiert, geht den dortigen Bauern die Luft aus – gegen die Dumpinglöhne in Deutschland kann niemand mehr konkurrieren. So ist heute in Frankreich bereits jeder zehnte landwirtschaftliche Betrieb von der Pleite bedroht, weil Deutschland mit billigst produzierten landwirtschaftlichen Produkten die europäischen Märkte überschwemmt.

Die Aktion, die wie viele soziale Aktionen natürlich die Betroffenen nervt, ist das einzige Mittel, das den französischen Bauern noch bleibt. Wieder einmal ist die Politik nicht in der Lage, Maßnahmen zu treffen, mit denen solchen illegalen Praktiken Einhalt geboten werden kann – und illegal sind diese „scheinselbständigen“ Arbeitsverhältnisse allemal. Menschenunwürdig sind sie obendrein, denn die billigen Arbeitskräfte aus Osteuropa leben unter unwürdigen Umständen, müssen Tagesschichten ableisten, die kein deutscher Arbeitnehmer akzeptieren würde und rechtlich ist eine „Selbstständigkeit“ dann ohnehin nicht gegeben, wenn der „Unternehmer“ ausschließlich für ein Unternehmen arbeitet. Doch viele Agrar-Großbetriebe gehen geschickt mit dieser Situation um, gründen mehrere Einzelbetriebe rund um einen Großbetrieb und die Arbeitnehmer arbeiten mal für diesen, mal für jenen Betrieb – aber immer am gleichen Arbeitsplatz, immer zu den gleichen, schlechten Bedingungen.

Kein Wunder, dass Deutschland im europäischen Konzert so „erfolgreich“ arbeitet. Kein Wunder, dass Deutschland als „Lehrmeister“ Europas auftritt – und es ist ein Wunder, dass wenigstens die französischen Bauern den Mut haben, laut gegen diesen sozialen Ausverkauf Europas zu protestieren. Die Politik hat diesen Mut schon lange nicht mehr, niemand traut sich mehr, gegen eine deutsche Politik aufzubegehren, die Europa langsam, aber stetig von innen aushöhlt.

Im Grunde ist es schon zynisch, dass man sich in Deutschland immer wieder fragt, wieso eigentlich die Menschen nicht mehr Begeisterung für die Europäische Union an den Tag legen. Dabei liegt die Antwort auf der Hand. Weil Deutschland gerade dabei ist, mit dem Sozialabbau, der inzwischen nicht nur das europäische Ausland, sondern auch Deutschland selbst betrifft, die europäische Solidarität von innen auszuhöhlen.

Davon bekommen wir in Deutschland, wie immer, nicht viel mit. Denn die zerstörerische Rolle, die Deutschland mittlerweile in Europa spielt, wird immer mit dem Argument weggewischt, man sei schließlich „Klassenbester“ und „größter Nettozahler“ und deshalb ist alles, was Deutschland macht, richtig und wunderbar. Nur – das stimmt nicht, gleich, was die Mainstream-Medien auch schreiben mögen. Deutschlands Kahlschlag durch Europa zielt auf eine schleichende „Germanisierung“ Europas ab und alle, die nicht genau nach den deutschen Regeln ticken, werden überfahren.

Und nein, die Bauern, die den Verkehr auf den deutsch-französischen Rheinbrücken blockiert haben (PKWs kamen durch, auch wenn es zu zahlreichen Verspätungen kam) sind nicht etwa „gierige Franzosen“, wie es die BILD sicherlich wieder behaupten wird, die einfach nur mehr Geld auf Kosten des deutschen Steuerzahlers kassieren wollen, sondern hart arbeitende Bauern, die ihre Produkte nicht mehr zu marktgerechten Preisen verkaufen können, da illegal und zu Dumpingpreisen in Deutschland produzierte Produkte ihre eigenen Märkte überschwemmen. Das sind Menschen, die dagegen aufbegehren, dass die deutsche Agrarpolitik die Existenz ihrer Familien, ihrer Mitarbeiter und ihrer teilweise seit Jahrhunderten bestehenden Höfe gefährdet.

Da nützt es nicht viel, ab und an bei offiziellen Veranstaltungen das „deutsch-französische“ Tandem zu loben. Für die deutsche Politik sind die Rollen auf diesem Tandem nämlich sehr klar verteilt. Deutschland sitzt vorne und bestimmt, wo es langgehen soll, während Frankreich hinten in die Pedale treten soll, damit Deutschland schneller vorankommt. Wahre Freundschaft sieht eigentlich anders aus…

3 Kommentare zu Warum französische Bauern die deutsch-französische Grenze geschlossen haben

  1. Als Elsässer muss ich mich heute leider an jene Worte aus meiner Kindheut zustimmmen, als meine Grosseltern behaupteten : bei den Deutschen müsse man damit rechnen, dass sie ihre Macht, ob militärischer, politischer oder wirtschaftlicher Art, immer knallhart und unerbittlich durchsetzen – die griechische Krise hat es gezeigt, das Milch-Kapitel wird es bestätigen. Nihil novi sub sole …

  2. Veronika Rauch-Klingmann // 28. Juli 2015 um 11:44 // Antworten

    Wenn man sozial unverträgliche Wirtschaftsinteressen (die es sicher genauso in Frankreich gibt..!) auf plumpe Nationalismen reduziert, schürt man eine Denke, die genau in die falsche Richtung geht, denn Hasspredigten haben noch nie zu guten Lösungen geführt. Aufzeigen und Aufklären muss man über solche Praktiken, aber nicht in diesem Tenor! Sonst werden sie lediglich von den falschen Leuten gehört.
    Oder war es Ihre Absicht, den Front National zu stärken?

  3. Aufgeklärt wird über diese Praktiken seit Monaten und Jahren. Ohne, dass sich in Deutschland irgendjemand darum scheren würde. Diese Praktiken als “Wirtschaftsinteressen” darzustellen, ist genau der Fehler, der in Deutschland gemacht wird. Wir Deutschen führen gerade in Europa einen sozialen Kahlschlag durch, dessen Auswirkungen entweder nicht wahrgenommen werden, oder aber als “Kollateralschaden” unserer Wirtschaftsinteressen billigend in Kauf genommen werden. Dazu nehmen wir in Deutschland schon lange nicht mehr wahr, wie diese deutsche Politik im Ausland aufgenommen wird. Genau das führt zur Polarisierung – nicht die Tatsache, darüber zu berichten. Dass diese Berichterstattung und Kritik an der deutschen Politik die Interessen des Front National bedienen soll, ist allerdings sehr, sehr weit hergeholt. Was schlagen Sie denn vor? Zu schweigen, in der Hoffnung, die Welt möge am deutschen Wesen genesen? Das wird sie leider nicht – die “Germanisierung” Europas ist genau das, was zum Ende des europäischen Gedankens führt. Das kriegen wir in Deutschland nur leider überhaupt nicht mit – wir denken immer noch, dass Merkel und Schäuble alles ganz toll machen. Aber das ist eben leider ein fataler Irrtum.

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