Was fehlt, ist ein Plan

Die G7-Staaten wollen 2 Milliarden Impfdosen an arme Länder spenden. Für den Nothilfekoordinator der UNO Mark Lowcock ist das kein Anti-Covid-Plan, sondern ein Almosen.

Eine Spende von 2 Milliarden Impfdosen für arme Länder ist noch kein Plan für die Bekämpfung der Pandemie. Foto: spencerbdavis / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Mark Lowcock, seit 2017 Nothilfekoordinator der UNO, läutet die Alarmglocke. Nach der Ankündigung der G7-Staaten, 2 Milliarden Impfdosen an arme Länder zu spenden, bezeichnete er diese Geste als Almosen. „Was die Welt von den G7 brauchte, war ein Plan, um die Welt zu impfen. Was wir bekommen haben, ist ein Plan, etwa 10 % der Bevölkerung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen vielleicht in einem Jahr zu impfen“. Und das, so Lowcock, „wird die Pandemie nicht beenden“.

In der Tat, die Tatsache, dass sich gerade in Europa die Zahlen spektakulär verbessern, ist leider nicht viel mehr als eine Momentaufnahme und selbst diese wird dadurch getrübt, dass die Infektionszahlen in vielen Ländern gerade wieder steigen. Selbst in Ländern wie Chile oder Großbritannien, die als „Impf-Champions“ gefeiert wurden, sind Varianten unterwegs, die diese kurzzeitige Verbesserung bereits wieder in Frage stellen. So sah sich die britische Regierung gezwungen, das geplante Ende aller Maßnahmen erneut zu verschieben. Was die Briten allerdings nicht davon abhält, für die Finalspiele der EURO 2021 sage und schreibe 40.000 Zuschauer ins Wembley-Stadion zu lassen. Angeblich als „Test“, um zu schauen, wie sich das hoch virulente „Delta-Virus“ bei Großveranstaltungen verhält.

Mark Lowcock hat natürlich Recht – wir leben in einer globalisierten Welt, deren Mobilität dafür sorgt, dass Viren ziemlich frei zirkulieren können. 10 % der Bevölkerung in ärmeren Ländern zu impfen, kann also keine Strategie sein, diese Pandemie wirkungsvoll zu bekämpfen. Zumal diese Spende von 2 Milliarden Impfdosen erst bis Ende 2022 ausgeliefert werden soll. Dazu müssen in diesen ärmeren Ländern Infrastrukturen eingerichtet werden, die überhaupt erst die Lagerungs- und Verteilungs-Logistik der empfindlichen Impfstoffe ermöglichen. Nur – die letzten 16 Monaten haben gezeigt, dass sich auch dieses Virus so verhält wie alle anderen Viren – es mutiert. Dies wird auch bis Ende 2022 der Fall sein: Es wird neue Varianten geben, die einen weniger gefährlich, die anderen gefährlicher und niemand kann heute sagen, ob die Impfstoffe von heute den Varianten von morgen überhaupt Paroli bieten können.

Dass globale Probleme auch globale Lösungen erfordern, das hat man in verschiedenen Bereichen verstanden. Das zeigen unter anderem die zahllosen Klimagipfel, an deren Beschlüsse sich zwar niemand hält, die aber beweisen, dass man verstanden hat, dass der Klimawandel nicht auf nationaler Ebene gelöst werden kann. Erstaunlich, dass man diese Erkenntnis nicht auf die aktuelle Pandemie überträgt, sondern dass praktisch alle Länder versuchen, diese für sich innerhalb ihrer Landesgrenzen zu lösen, als ob dieses Virus mit seinen Varianten an Landesgrenzen stehenbleibt.

Was nützt es, darüber zu jubeln, dass die Inzidenz in Deutschland gerade unter 20 liegt, während neue Varianten die Zahlen anderswo wieder rapide ansteigen lassen? Und wieder flammt die Diskussion über die Freigabe der Vakzin-Patente auf, die dringend erforderlich ist, um die Weltbevölkerung mit Impfstoffen versorgen zu können. Die Gesundheit der Weltbevölkerung der finanziellen Gier einer Handvoll Pharmafirmen zu opfern, kann keine Lösung sein, außer für diese Firmen. Einmal mehr merkt man, wie wirkungslos die internationalen Organisationen sind. Das ist leider wenig verwunderlich, wenn man sieht, wie wirkungslos auch die kontinentalen Organisationen sind. Die Welt ist nicht auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts eingerichtet – mit einer nationalen Perspektive wird man keines der diesen Planeten bedrohenden Probleme lösen können. Es ist allerhöchste Zeit, die Rolle der Vereinten Nationen, der EU, der NAFTA und anderer Kontinentalverbände neu zu definieren. Dies ist ein Rennen gegen die Zeit, denn die globalen Probleme warten nicht, bis wir eines Tages unsere nationale Brille abgesetzt haben. Das ist die Botschaft eines Experten wie Mark Lowcock, der einen echten Überblick über die internationalen Zusammenhänge solcher Krisen hat. Ob er gehört werden wird? Die Chancen dafür stehen leider nicht allzu hoch…

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