Was passiert jetzt eigentlich mit den französischen Sozialisten?

Die PS in Frankreich implodiert, scharenweise sind ihre Vertreter vor der Präsidentschaftswahl zum politischen Gegner übergelaufen. Und jetzt?

1925 drückte ein Parteibuch der PS noch eine politische Überzeugung aus. Doch das ist lange her... Foto: NORLU / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Das wird jetzt richtig schwierig für die PS, die sozialistische Noch-Regierungs-Partei Frankreichs. Das jämmerliche Ergebnis ihres Kandidaten Benoît Hamon (6,7 %!) ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Parteigranden ihren Kandidaten reihenweise im Stich gelassen haben und zum politischen Gegner übergelaufen sind. Dies müsste nun eigentlich zum ebenso reihenweisen Ausschluss aller dieser „Überläufer“ führen, denn die Unterstützung eines Kandidaten aus den Reihen des politischen Gegners ist laut Satzung der PS ein Grund für einen Parteiausschluss.

Es ist schon seltsam, wie die PS mit dem Kandidaten umgesprungen ist, den sie selbst in einer aufwändigen Vorwahl gekürt hat. Niemand hatte Frankreichs Linke gezwungen, den Kandidaten Hamon zu wählen und ins Rennen zu schicken. Da ist es dann schon seltsam, mit welcher Leichtigkeit sich so viele führende Mitglieder der PS von ihrem eigenen Kandidaten abgewandt haben, um den neoliberalen Emmanuel Macron zu unterstützen.

Den dicksten Klops brachte der ehemalige Premierminister Manuel Valls, der in der Stichwahl der Vorwahl Benoît Hamon unterlegen war. Wie alle anderen Kandidaten dieser Vorwahl hatte sich auch Valls schriftlich (!) verpflichtet, das Ergebnis dieser Vorwahl zu respektieren und den Gewinner als den Kandidaten der PS zu unterstützen. Doch nach seiner Niederlage schwenkte Valls sofort um, schloss sich dem Kandidaten Macron an und beging somit einen unverzeihlichen Verrat an seiner eigenen Partei. Er sollte nicht der einzige bleiben.

Doch was bewegte derart viele Parteioberen der PS, ihren eigenen Kandidaten zu verraten und für einen politischen Gegner zu werben? Im Vordergrund stand die nicht ganz unrealistische Einschätzung, dass Macron bessere Chancen habe als Hamon (eine Einschätzung, die am letzten Sonntag an den Wahlurnen bestätigt wurde), verbunden mit der Hoffnung, in einer neuen politischen Formation („En Marche!“) den einen oder anderen Posten ergattern zu können. Was einmal mehr zeigt, dass politische Überzeugungen im politischen Tagesgeschäft nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Inzwischen hat der neue starke Mann Frankreichs Emmanuel Macron angekündigt, dass all diejenigen, die jetzt gerne bei der Parlamentswahl im Juni für seine Partei antreten wollen, zuvor aus ihrer bisherigen Partei austreten müssen. Vielleicht wäre es besser für die PS und ihr Selbstverständnis, all die Überläufer selbst auszuschließen und derart „gesundgeschrumpft“ einen inhaltlichen und personellen Neustart zu organisieren.

Die „Überläufer“ haben in der PS nichts mehr verloren, sie haben die Grundprinzipien ihrer Partei verraten und selbst dafür gesorgt, dass die Franzosen nun am 7. Mai nur noch die Wahl zwischen einem kaum verortbaren, dafür aber sehr machthungrigen politischen Abenteurer und einer knorrigen Rechtsextremen haben, die Frankreich und Europa in Richtung Abgrund führen will. Dass es zu dieser Stichwahl kommt, hat Frankreich unter anderem all denjenigen zu verdanken, die aufgrund persönlicher Ambitionen das politische Lager gewechselt haben. Die PS braucht dieser „Überläufer“ nicht mehr und muss sich nun komplett neu erfinden. Falls ihr dazu noch die Zeit bleibt.

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