Was passiert, wenn nun die Ukraine Russland den Krieg erklärt?

Auf dem russischen TV-Kanal hat der frühere stellvertretende Außenminister Andrei Fedorov die Möglichkeit ins Spiel gebracht, dass die Ukraine Russland den Krieg erklären könnte.

Wird die Ukraine Russland den Krieg erklären? Foto: Ministry of Defense of Ukraine / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Die Möglichkeit, dass die Ukraine Russland den Krieg erklären könnte, hat der frühere stellvertretende Außenminister Russlands Andrei Fedorov im russischen TV ins Spiel gebracht. Ganz abwegig ist dieser Gedanke nicht, auch wenn Fedorov damit die russische Propaganda-Maschine befeuern wollte, die der russischen Bevölkerung nach wie vor suggeriert, dass der Kreml in der Ukraine eine „Spezialoperation“ durchführt, da Russland potentiell angegriffen wird. Während der Sendung erklärte Fedorov, dass die Ukraine in diesem Fall nicht nur die westlich liegenden Städte wie Belgograd angreifen würde, sondern – Moskau.

Ohne nun gleich die russische Propaganda aufzugreifen, sollte man diesen Gedanken einmal weiterspinnen. Eine ukrainische Kriegserklärung hätte viele Folgen. Zum einen würde damit das Märchen einer „Spezialoperation“ enden und Putin befände sich in einem von ihm verursachten Krieg, der dann die ganze russische Bevölkerung betreffen würde. Für die Ukraine würde sich nicht viel enden, denn das überfallene Land befindet sich seit dem 24. Februar im Krieg.

Gleichzeitig würde eine ukrainische Kriegserklärung die internationale Gemeinschaft zwingen, eine klare Position zu beziehen. Das Herumgeeier, bei dem man versucht, trotz Waffen-, Geld- und Know-How-Lieferungen keine Kriegspartei zu sein, könnte in einer solchen Situation nicht mehr aufrecht erhalten werden. Zu diesem Zeitpunkt hätte die internationale Gemeinschaft, EU, NATO und USA, keine andere Wahl mehr, als sich entweder aus der Ukraine zurückzuziehen, oder aber den offenen Krieg mit Russland zu beginnen.

Dass man auch im Westen über diese Option nachdenkt, erkennt man daran, dass viele europäische Länder in den letzten Tagen eine Art Inventar ihrer Armeen erstellt haben. Das Ergebnis dieses „Inventars“ ist allerdings niederschmetternd. Momentan ist wohl keine europäische Armee für einen solchen Einsatz vorbereitet und ausgerüstet und unter diesen Umständen müsste man auch damit rechnen, dass sich heftiger Widerstand in der Bevölkerung gegen den dann startenden III. Weltkrieg regt.

Angesichts der Tatsache, dass die politische Ebene zwischen Russland und der Ukraine eingefroren ist, insbesondere nach der russischen Teilmobilmachung von Reservisten und vor allem, der abenteuerlichen Annektierung von vier weiteren ukrainischen Oblasten (zusätzlich zur Krim), die Russland militärisch nur teilweise kontrolliert, ist die Option einer ukrainischen Kriegserklärung alles andere als unrealistisch.

Die momentanen militärischen Erfolg der ukrainischen Armee dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor 15-20 % des ukrainischen Staatsgebiets von Russland besetzt sind, inzwischen mit der Besonderheit, dass Russland diese Gebiete als russisches Territorium betrachtet, wodurch die russische Nuklear-Doktrin auch für diese Gebiete gilt. Die in den letzten Tagen immer lauter werdende Drohung eines Atomschlags muss man ernstnehmen, besonders, wenn Putin weiter unter Druck gerät. Dazu liegen ihm die Kreml-Falken im Ohr, dass er nun zu solchen Mitteln greifen soll und Putin wird sich zweimal überlegen, ob er seine treusten Vasallen einfach so abbürstet.

Doch wie würde der Westen auf eine solche ukrainische Kriegserklärung reagieren? Es gibt keine europäische Armee, die nationalen Armeen sind in einem erbarmungswürdigen Zustand, was daran liegt, dass seit Jahrzehnten eine konkrete Kriegsgefahr nicht gegeben war und es deshalb keinen objektiven Grund gab, in die jeweiligen Armeen mehr als das strikte Minimum zu investieren. Die Frage stellt sich also, ob der Westen militärisch tatsächlich die Atommacht Russland in ihre Schranken weisen kann, ohne die nukleare Vernichtung Europas zu riskieren.

Fedorov, ebenso wie andere Politiker in Ost und West, reden immer häufiger von dieser Bedrohung, die noch vor wenigen Monaten in die Kategorie „das werden die dann doch nicht wagen“ fiel. Heute werden konkrete Optionen für einen Atomschlag diskutiert, beispielsweise ein Erstschlag über dem Schwarzen Meer. Es wird allerhöchste Zeit, diesen Wahnsinn zu stoppen.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste