Was Sie schon immer zum Thema „Schlichtung & Co.“ wissen wollten… (1)

(1) - Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen – Warum?

Schlichtung - was, wann, warum, wie, wer - all das erläutert diese neue Serie! Foto: USS / CC-BY-SA 4.0int

(Von Felix Braun, Leiter der Universalschlichtungsstelle des Bundes) – Was tun, wenn es ein Problem gibt – zum Beispiel mit einer Reisebuchung, der Energieversorgung, der Bestellung im Online-Shop, der Versicherung? Sicher, der Gang zu Gericht, der sogenannte Rechtsweg, steht immer offen. Und das ist gut, wichtig und richtig so. Doch möchten Sie diesen immer beschreiten? Es gibt Kostenrisiken und Formalia schrecken ab. Die Werte, um die es geht, sind oft relativ gering. Nach dem ROLAND-Rechtsreport 2014 geht eine Mehrheit erst dann vor Gericht, wenn es um 1.950 Euro oder mehr geht. Es gibt also einen klaren Bedarf an außergerichtlicher Streitbeilegung. Sie ist aber noch zu wenig bekannt. In der heute beginnenden zehnteiligen Serie gehen wir deshalb verschiedensten Aspekten nach, die für Unternehmer*innen und Verbraucher*innen wichtig sind und beiden einen Mehrwert bieten.

Dass Recht haben und Recht bekommen nicht immer dasselbe ist, diese Erfahrung macht man bereits oft als Kleinkind. Das heißt aber nicht, dass man das einfach so hinnehmen sollte. Und auch nicht, dass man dafür immer vor Gericht muss.

Bereits seit den späten 90er-Jahren setzte die EU-Kommission daher Impulse, um außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren einerseits zu fördern und andererseits Qualitätsmaßstäbe hierfür zu entwickeln. Da diese reinen Empfehlungen sich als nicht ausreichend erwiesen, gab es 2013 dann eine verbindliche Richtlinie: Die Mitgliedsstaaten der EU waren nun gehalten, dafür zu sorgen, dass es quasi für jede Art von Streitigkeit aus einem Vertrag zwischen Verbraucher*innen und Unternehmer*innen Zugang zu einem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren geben muss, das bestimmten Qualitätsanforderungen entspricht. So weit, so gut.

Doch was steckt eigentlich genau hinter dem Begriff der außergerichtlichen Streitbeilegung? Vielen Leser*innen dürften die Begriffe Schlichtung und Mediation etwas sagen. Alle beide sind im Oberbegriff der außergerichtlichen Streitbeilegung enthalten.

Gemeinsam ist diesen beiden Verfahrensarten, dass ein Konflikt außergerichtlich gelöst wird. Das passiert aber nicht im luftleeren Raum, sondern mit bestimmten Verfahren. Die Lösungen sind eben keine faulen, irgendwie über den Daumen gepeilten Kompromisse. Beide bieten einen Mehrwert für die Streitenden, den Unternehmer*innen ebenso wie den Verbraucher*innen. Keinesfalls ist es auch mit der Arbeit von Verbraucherzentralen oder eines Branchenverbands zu verwechseln, denn diese sind einseitige Interessenvertreter*innen der Verbraucher*innen.

Nach den Gemeinsamkeiten nun die Unterschiede zwischen Schlichtung und Mediation:

Bei einem Schlichtungsverfahren schlägt eine neutrale, dritte Person eine konkrete Lösung vor. Dabei ist die Rechtslage objektiv darzustellen, wodurch die Parteien auf Augenhöhe kommen und beurteilen können, ob sie der Lösung annehmen möchten. Denn die Lösung selbst kann, muss aber nicht der Rechtslage entsprechen.

Anders die Mediation: Hier lenkt die neutrale, dritte Person das Gespräch, sorgt dafür, dass die streitenden Parteien wirklich ausdrücken, wo genau der Schuh drückt, wie eine Lösung aussehen sollte. Einen Vorschlag zur Lösung macht die dritte Person nicht, die sollen gerade die Streitenden selbst finden, aber eben in einem gewissen Rahmen und durch den Einsatz von Techniken, die hierfür hilfreich sind. Hierfür können mehrstündige Sitzungen erforderlich sein.

In Deutschland gibt es für Verbraucherstreitigkeiten überwiegend Schlichtung. Das ist oft praktisch und interessengerecht, wenn es um einmalige Forderungen geht. In komplexen Situationen, wie langjährigen Mietverhältnissen oder bei Wohn- und Betreuungsverträgen, kann aber die Mediation vorzuziehen sein, da es wichtig ist, auch unterschwellig geäußerten Problemen auf die Schliche zu können. War der tropfende Heizkörper der Anlass, den Streit zu einem Dritten zu tragen, mag in manchen Fällen etwas Wichtigeres zwischen den Parteien gestört sein.

In Deutschland steht Schlichtung im Vordergrund. Eine Liste aller Verbraucherschlichtungsstellen, die teils aber auch mediative Ansätze haben, führt das Bundesamt für Justiz.

Es gibt eine Vielzahl von Stellen mit einem bestimmten Branchenbezug: etwa die „söp“ für den Bahn-, Bus-, Flug- und Schiffsverkehr, den Versicherungsombudsmann, die Schlichtungsstelle Energie… Diese Stellen sind wegen ihrer Spezialisierung vorrangig anzurufen, doch auch zusammen decken sie längst nicht alles ab. Das genau aber muss nach der EU-Richtlinie gewährleistet sein.

Auffangfunktion haben die Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstellen und die Universalschlichtungsstelle des Bundes. Letztere hat zudem eine Lotsenfunktion, denn es ist gar nicht so einfach, auf Anhieb die richtige Stelle zu finden. Die Universalschlichtungsstelle des Bundes führt Antragsteller*innen zu richtigen Stelle; ist keine andere vorrangig zuständig, nimmt sie den Fall selbst zur Schlichtung an. Was auch einige tausendmal im Jahr der Fall ist.

Sehen viele Bürger*innen den Gang zu Gericht als mit Hürden belegt an, so ist die außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen von Niedrigschwelligkeit gekennzeichnet. Doch was wiederum verbirgt sich genau hinter diesem Begriff, der salopp gesagt einfacher Zugang heißen soll? Wie äußert sich das in der Praxis?

Dieser Frage wird in dem kommenden Beitrag der Serie nachgegangen. Bis nächste Woche!

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