Was Sie schon immer zum Thema „Schlichtung & Co.“ wissen wollten… (11)

(11) – Katharina Hörl ist Schlichterin bei der Verbraucherschlichtung Austria. Nach den Interviews mit Nutzern dieses Konzepts, sprechen wir heute mit einer Schlichterin.

Katharina Hörl ist Schlichterin bei "Verbraucherschlichtung Austria". Foto: privat

(KL) – Das Konzept der Verbraucherschlichtung in Deutschland ist relativ neu. In anderen Ländern wird diese Art der niederschwelligen Streitbeilegung zwischen Verbraucher*innen und Unternehmen andererseits schon länger praktiziert. Interview mit der österreichischen Schlichterin Katharina Hörl von der Verbraucherschlichtung Austria.

Ihre Schlichtungsstelle in Österreich hat bereits längere Erfahrungen als die Universalschlichtungsstelle des Bundes in Kehl. Haben Sie Zahlen für uns? Anzahl Verfahren, Prozentsatz gelöster Fälle?

Katharina Hörl: Wir haben im Jahr 2016 mit insgesamt 455 Beschwerden begonnen. Seither sehen wir einen Anstieg von Schlichtungsanträgen von durchschnittlich rund 20 % pro Jahr. 2019 wurden bei der Verbraucherschlichtung Austria insgesamt 814 Schlichtungsanträge gestellt. Heuer rechnen wir mit knapp 1.000 Anträgen. Die Einigungsquote lag in jenen Verfahren, wo sich die Unternehmen auf die Schlichtung eingelassen haben, im Jahr 2019 bei 81 %. Ich rechne damit, dass die Bekanntheit von Verbraucherschlichtung in Österreich künftig noch weiter steigen wird und wir dadurch noch eine gewisse Steigerung der Fallzahlen erwarten können.

Sehen Sie Unterschiede zwischen den Verfahren in Österreich und in Deutschland?

KH: Ja, hier sehe ich durchaus Unterschiede. Den größten Unterschied sehe ich darin, dass die Verfahren unserer Stelle sehr flexibel ablaufen. Wir Schlichter*innen entscheiden im Einzelfall, welche Streitbeilegungsmethoden wir anwenden und können damit flexibel auf den Streitfall und die Bedürfnisse der Parteien eingehen. Wir nützen diese Prozessflexibilität, indem wir Schlichtung mit Mediation verknüpfen. Steht im Mittelpunkt des Streits eine rechtliche Fragestellung und kann der Sachverhalt telefonisch und per E-Mail gut geklärt werden, unterbreiten die Schlichter*innen im Schlichtungsverfahren in der Regel einen schriftlichen Lösungsvorschlag. Jedoch ist es nicht immer so einfach. Manchmal ist es, gerade in komplexen Streitigkeiten, schwierig, die notwendigen Informationen zur Beurteilung der Streitigkeit über Telefon und E-Mail zu erfahren. Ebenso kommt es immer wieder vor, dass die Parteien im Zusammenhang mit dem Streitfall sehr verärgert sind und ihre Emotionen einer Lösungsfindung entgegenstehen. In derartigen Fällen bieten wir den Parteien eine mündliche Schlichtungsverhandlung an. Das bedeutet, dass die Parteien die Möglichkeit bekommen, das Problem im Beisein eines*einer Schlichter*in persönlich zu besprechen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Für den Ablauf gibt es keine konkreten Vorgaben – dieser ist mit den Parteien abzustimmen. In der Praxis unterscheiden sich die Gespräche in der Ausgestaltung durchaus. In manchen Fällen wird von den Schlichter*innen am Ende des Gesprächs ein Vorschlag unterbreitet. In anderen Fällen wird das Gespräch in Form einer Mediation geführt (zu den Unterschieden lesen Sie den vorausgegangenen Beitrag 6 dieser Serie).

Gibt es Schnittstellen zwischen den Verfahren in beiden Ländern – gibt es Fälle, die eine grenzüberschreitende Handhabung erfordern?

KH: Eine gemeinsame Bearbeitung von Streitfällen kommt nicht vor, das ist von den gesetzlichen Bestimmungen nicht vorgesehen. Allerdings stehen wir mit den Kolleg*innen in Kehl laufend in Kontakt und tauschen unsere Erfahrungen im Sinne eines „best practice Austausches“ aus. Auch auf wissenschaftlicher Ebene haben wir schon zusammengearbeitet und beispielsweise einen Artikel publiziert, der die Verfahren in beiden Ländern behandelt und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede beleuchtet. Auch dadurch versuchen wir gemeinsam das Konzept der Verbraucherschlichtung in der Bevölkerung bekannter zu machen.

Mit Ihrer Erfahrung – welche Verbesserungen könnten Sie sich in diesen Schlichtungsverfahren vorstellen?

KH: Die gesetzlichen Bestimmungen sehen vor, dass nur Konsument*innen einen Antrag auf Verbraucherschlichtung stellen dürfen. Unternehmen können sich aktiv nicht an uns wenden. Das halte ich im Hinblick auf unsere neutrale bzw. allparteiliche Stellung für nicht nachvollziehbar. In diesem Punkt würde ich mir eine Änderung wünschen, sodass beide Seiten einen Antrag einreichen können, wenn es ein Problem aus einem Verbrauchergeschäft gibt.

Frau Hörl, vielen Dank für Ihre Informationen!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste