Was Sie schon immer zum Thema „Schlichtung & Co.“ wissen wollten… (19)

Zwei Forscher in Cambridge und Oxford haben einen Bericht zum Thema Verbraucherschlichtung für die Bundesregierung erstellt. Im Interview erklären sie, warum dieses Thema so wichtig ist.

Dr. Naomi Creutzfeld und Dr. Felix Steffek haben eine Studie für die Bundesregierung zum Thema Verbraucherschlichtung erstellt. Foto: privat

(Red) – Derzeit gibt es in Deutschland 26 Verbraucherschlichtungsstellen, die auf einzelne Rechtsgebiete spezialisiert sind und Streitigkeiten zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern mit Unternehmen etwa in den Bereichen Banken, Reise oder Versicherungen schlichten. Um den Verbraucherinnen und Verbrauchern den Zugang zu einer qualifizierten Verbraucherschlichtung auch dann zu ermöglichen, wenn keine branchenspezifische Schlichtungsstelle zur Verfügung steht, hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle in Kehl finanziell gefördert, heute Universalschlichtungsstelle des Bundes. Ergänzend hat es ein wissenschaftliches Forschungsvorhaben zu deren Funktionsweise in Auftrag gegeben. Gespräch mit den Forschern, Dr. Creutzfeldt und Dr. Steffek.

Frau Dr. Creutzfeldt, Herr Dr. Steffek, bedarf es überhaupt der Schlichtung? Es gibt doch Gerichte?

Felix Steffek: Die Verbraucherschlichtung leistet einen wichtigen und wertvollen Beitrag zur Konfliktlösung in Deutschland. Das Forschungsprojekt, das Dr. Naomi Creutzfeldt und ich im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz durchgeführt haben, zeigt, dass viele Verbraucher ohne die Verbraucherschlichtung nicht zu Gericht gehen würden, sondern ihr Problem ungelöst bliebe.

Naomi Creutzfeldt: Das Schlichtungsverfahren eignet sich sehr gut für Verbraucherkonflikte. Im Vergleich zum Gericht ist das Verfahren für den Verbraucher kostenlos, relativ schnell und kann dazu beitragen, Vertrauen in die Schlichtung als alternative Streitlösungsmethode aufzubauen und in das Unternehmen zurückzugewinnen.

Worum ging es in Ihrer Studie?

FS: Wir haben in unserer Studie die Realität der Verbraucherschlichtung an der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle, bzw. Universalschlichtungsstelle in Kehl untersucht. Dabei hat uns vor allem die Perspektive der Nutzer interessiert, also die Perspektive der Verbraucher und Unternehmer. Das gesamte Gutachten kann im Internet eingesehen werden.

Geht das Versprechen von Schlichtung auf – steht sie wirklich so neutral zwischen Verbrauchern und Unternehmern, dass die für beide gleichermaßen attraktiv ist?

FS: Lassen wir die Betroffenen selbst zu Wort kommen. 87% der Verbraucher und 69% der Unternehmer empfinden die Verbraucherschlichtungsstelle als neutral. Diese Angaben beruhen auf 825 Antworten von Verbrauchern und 60 Stellungnahmen von Unternehmern.

Wie ist die Zufriedenheit mit dem Verfahren?

FS: Die Beteiligten sind mit dem Verfahren deutlich überwiegend zufrieden. 66% der Verbraucher und 58% der Unternehmer haben in den uns zugegangenen Stellungnahmen ihre Zufriedenheit mit dem Verfahren zum Ausdruck gebracht.

Unternehmer nehmen vielfach einfach nicht teil bei dem Verfahren der USS – woran liegt das?

FS: In der Tat, in mehr als der Hälfte aller Verfahren beteiligen sich die Unternehmer nicht an dem Verfahren. Das bedeutet, dass sie auf die Verfahrensanfrage entweder nicht antworten oder eine Teilnahme ausdrücklich ablehnen. Aus den Stellungnahmen der Unternehmer geht hervor, dass dafür die Kombination aus Freiwilligkeit des Verfahrens und Gebührenpflicht auf Seite der Unternehmer eine Rolle spielt. Für die Verbraucher ist das Verfahren kostenfrei.

NC: Hinzu kommt, dass Vertrauen in die Schlichtung aufgebaut werden muss und dies geschieht, wenn Unternehmen an der Schlichtung teilnehmen müssen. Wir haben dies bei den Fluggesellschaften gesehen: zu Anfang hatten sie sich geweigert an einem Schlichtungsverfahren teilzunehmen und als es gesetzlich verankert war, dass sie jedenfalls bei bestimmten Verfahren teilnehmen mussten, entwickelte sich eine positive Einstellung zur Schlichtung.

Haben Sie Ideen, wie man die Verbraucherschlichtung weiterbringen könnte? Gibt es best practices anderer Schlichtungsstellen, auch in anderen Staaten?

FS: Eine erwägenswerte Idee ist die Einführung des sogenannten One-Stop-Shop Ansatzes. Das bedeutet, dass die Verbraucher eine einzige zentrale Anlaufstelle für ihre Konflikte haben. Gegenwärtig stehen die Verbraucher vor der oft schwierigen Aufgabe, aus gegenwärtig 28 anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen diejenige zu finden, die für ihren konkreten Konflikt zuständig ist. Daran scheitern jährlich bis zu einem Fünftel aller Antragsteller. Der One-Stop-Shop Ansatz wird auch von der OECD empfohlen. Die Lotsenfunktion der Universalschlichtungsstelle geht in die richtige Richtung, der One-Stop-Shop Ansatz geht aber weiter.

Frau Dr. Creutzfeldt, Herr Dr. Steffek, vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Felix Steffek ist University Senior Lecturer an der Faculty of Law, University of Cambridge; Co-Director of the Centre for Corporate and Commercial Law, J M Keynes Fellow, University of Cambridge und Senior Member & Director of Studies am Newnham College.

Dr. Naomi Creutzfeldt ist Reader in Socio-Legal Studies an der Universität Westminster, London und Member of Common Room am Wolfson College, Oxford

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