Was Sie schon immer zum Thema „Schlichtung & Co.“ wissen wollten… (2)

(2) Verbraucherstreitbeilegung - Was heißt hier niedrigschwellig?

"Niederschwellig", das bedeutet, dass man einen Antrag auf Schlichtung quasi vom Liegestuhl aus einreichen kann... Foto: böhringer friedrich / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.5

(Von Felix Braun, Leiter der Universalschlichtungsstelle des Bundes) – Ziel des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes ist es, dass bei Streitigkeiten anlässlich eines Verbrauchervertrags ein besonders niedrigschwelliger Lösungsweg zur Verfügung steht. Klingt gut, aber was verbirgt sich eigentlich alles hinter dem Begriff der Niedrigschwelligkeit?

Man könnte sich einfach sprachlich nähern und die Gleichung aufstellen: niedrige Schwelle = geringe Hürde. Und auch wenn man im Internet das Wort Niedrigschwelligkeit recherchiert, landet man schnell bei Wikipedia. Danach ist Niedrigschwelligkeit die Eigenschaft eines Angebots, das seinen Nutzern wenig Aufwand zu seiner Inanspruchnahme abverlangt. Weitere typische Elemente sind beispielsweise, dass die Nutzer nur geringes Vorwissen haben müssen oder keine weiten Wege zurücklegen müssen.

Im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) findet man wiederum genauere Ausformungen. Aber nicht alle Leser*innen werden daraus sofort schließen, dass sich hinter manchem gesetzlichen Begriff eine Verbürgung einer solchen Niedrigschwelligkeit verbirgt.

Beispiel: Gemäß § 11 VSBG können Schlichtungsantrag, Stellungnahmen, Belege und sonstige Mitteilungen in Textform übermittelt werden. Textform heißt für Jurist*innen gerade auch, dass eine bloße E-Mail reicht (ein Brief oder ein Fax sind natürlich auch erlaubt).

Vorteil: Eine E-Mail ist schnell und von überall aus in Echtzeit geschrieben und versandt, sie kostet nichts. Und so kommt das Verfahren in der Regel ohne Termine aus, die eine Anwesenheit einer oder beider Seiten erfordern würde (anders bei Mediation, zu der Sie in späteren Beiträgen aus dieser Serie noch mehr erfahren).

Weiteres Beispiel: Nach § 37 VSGB müssen Unternehmen im Falle eines ungelösten Problems mitteilen, inwiefern sie zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle bereit sind und welche Stelle zuständig ist. Kommt es also doch einmal zu einem Problem, sollen Verbraucher*innen mit der Nase darauf gestoßen werden, dass es Alternativen zum Gerichtsverfahren gibt.

Doch nicht nur das, was explizit im VSBG steht, zeugt vom Gedanken der Niedrigschwelligkeit – ebenso das, was nicht geregelt wurde, spricht dafür. Für das juristisch geschulte Auge ergibt sich das zum Beispiel auch daraus, dass das VSBG nur wenige Förmlichkeiten regelt. Prinzipiell kann ein Antrag auch auf einer Postkarte in sehr freien Worten gestellt werden, wenn klar ist, worum es geht und wer die andere Partei ist.

All das sorgt dafür, dass die Hürden für eine Einschaltung einer Verbraucherschlichtungsstelle gering sind.

Und ebenfalls im Verfahren selbst geht es in diesem Geiste weiter: Anliegen der Verbraucherschlichtungsstellen ist die Verwendung einer leicht verständlichen Sprache.

Im folgenden Beitrag werden Sie erfahren, dass Schlichtung aber dennoch viel mit rechtlicher Bewertung zu tun hat. Es gilt also, rechtliche Einordnungen korrekt, aber für alle gut verständlich zu vermitteln. Das ist herausfordernder, als es klingt, aber es ist eine besonders reizvolle Aufgabe und hilft, ein Verständnis für Recht in die Breite der Bevölkerung zu tragen, ohne aber mit allzu langen, akademischen Ausführungen zu erschlagen. Es ist ein bisschen wie folgendes Zitat, das wahlweise Charlotte von Stein, Blaise Pascal, Johann Wolfgang von Goethe, Winston Churchill, Mark Twain und anderen mehr zugeordnet wird: „Lieber Freund, entschuldige meinen langen Brief, für einen kurzen hatte ich keine Zeit.“ Zum Glück müssen wir den Streit um die Autorenschaft hier nicht entscheiden. Verbraucherstreitbeilegung ist eben kein Heilmittel für alles. In der Artikelserie werden Sie aber anhand von Beispielfällen ein Gespür dafür entwickeln, wofür Schlichtung und Mediation besonders geeignet sind und wann es besser ist, den Weg zu den Gerichten einzuschlagen.

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