Was Sie schon immer zum Thema „Schlichtung & Co.“ wissen wollten… (21)

Heute: Interview mit Elisabeth Mette, Schlichterin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft.

Elisabeth Mette, Schlichterin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Foto: privat

(KL) – Auch zwischen Verbraucher*innen und ihren Rechtsanwält*innen kann es zu Streitigkeiten im Zusammenhang mit einem Mandat kommen. Und auch hierfür gibt es eine spezielle Verbraucherschlichtungsstelle: Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft vermittelt hier bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten, das heißt bei Unstimmigkeiten über Gebühren und Schadenersatzforderungen. Obwohl es die Stelle seit bereits zehn Jahren gibt, ist die von ihr angebotene qualitativ hochwertige Möglichkeit der Streitbeilegung immer noch nicht bekannt genug. Interview.

Frau Mette, Rechtsanwaltschaft und Schlichtung – passt das überhaupt zusammen?

Elisabeth Mette: Von außen betrachtet steht die Rechtsanwaltschaft eher für den Kampf um das Recht denn für Aussöhnung, wie es das Ziel der Schlichtung ist. Und weil sie dabei auch den materiellen Gewinn ihrer Tätigkeit im Auge behalten darf, liegt die Vermutung nahe, dass sie die gerichtliche Auseinandersetzung der kostenlosen Schlichtung vorzieht.

Demgegenüber steht die hohe Akzeptanz, die die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft bei den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der Bundesrepublik mittlerweile genießt. Deren Bereitschaft zur Teilnahme an dem rein freiwilligen Schlichtungsverfahren lag 2020 bei ca. 91 %. Auch spricht die hohe Annahmequote von 62 % dafür, dass die Schlichtungsvorschläge ernst genommen werden.

Wie ist das zu erklären? Ich meine, dass die Rechtsanwaltschaft die Zeichen der Zeit für die alternative Konfliktbeilegung schon vor langer Zeit erkannt hat und nun nach dem Motto „Das Eine tun und das Andere nicht lassen“ neben ihrer Hauptaufgabe die Chancen der außergerichtlichen Streitbeilegung nutzt. Ich verweise nur auf die große Zahl der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die als Mediatoren ausgebildet und tätig sind. Und die Schlichtung bietet die Chance, einen mitunter unangenehmen Konflikt mit der eigenen Mandantschaft kostenneutral, schnell und ohne großen Aufwand zu klären.

Sie haben vielfältige Erfahrungen als hochrangige Juristin. Sie waren unter anderem Präsidentin des Bayerischen Landessozialgerichts und Richterin am Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Waren diese Erfahrungen aus Ihren vorigen beruflichen Positionen (mit-)entscheidend für Sie, im letzten Sommer Schlichterin zu werden?

EM: Mitentscheidend waren diese Erfahrungen zweifellos. Während der letzten 15 Jahre meines Berufslebens war ich immer wieder mit der gerichtsinternen Mediation befasst – ihrer Praxis, ihrer Akzeptanz innerhalb und außerhalb der Richterschaft und ihrer Etablierung. Ich habe ihre Vorteile gegenüber dem gerichtlichen Verfahren, nämlich die schnelle und nachhaltige Lösung eines Konflikts, kennengelernt und als ausgebildete Gerichtsmediatorin selbst erfahren. Besonders attraktiv fand ich dabei die Chance, einer neuen Streitkultur Bahn zu schaffen, die im Konfliktfall nicht immer nach der Autorität des Staats ruft, sondern sich eigenverantwortlich um eine Lösung bemüht.

Eine andere Art der konsensualen Konfliktlösung ist die Schlichtung. Bis letzten Sommer hatte ich mich damit nie näher beschäftigt. Als mir dann das Amt der Schlichterin bei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft angeboten wurde, empfand ich es als reizvoll, diesen weiteren, für mich neuen Weg zur außergerichtlichen und einvernehmlichen Streitbeilegung zu erkunden. Zudem war mir die Aufgeschlossenheit der Rechtsanwaltschaft für alternative Konfliktbewältigung aufgrund zahlreicher dienstlicher Kontakte zu Rechtsanwaltskammern und -verbänden bekannt.

Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen als Schlichterin?

EM: Zu meinen wichtigsten Erfahrungen zählt, dass die Praxis hält, was das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz fordert, nämlich ein zügiges, kostenloses und unbürokratisches Verfahren in neutraler Hand. Aus meiner langjährigen Tätigkeit als Richterin ist mir noch schmerzvoll in Erinnerung, dass die grundgesetzliche Garantie effektiven Rechtsschutzes nicht selten leerläuft. Ich denke dabei an die Zahl der überlangen Gerichtsverfahren, die in deutlichem Kontrast zum Rechtsschutzversprechen des Grundgesetzes steht. Umso größere Zufriedenheit erfüllt mich, wenn ich vermelden kann, dass die gesetzlich vorgegebenen Fristen zur Bearbeitung der Schlichtungsanträge eingehalten, beziehungsweise sogar wiederholt deutlich unterschritten werden. Das Gesetz fordert, dass ein Schlichtungsvorschlag binnen 90 Tagen nach Eingang der vollständigen Beschwerdeakte den Parteien übermittelt wird. Der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft gelingt es nach den Ergebnissen der vergangenen Jahre, einen Schlichtungsantrag durchschnittlich innerhalb von 62 bis 64 Tagen zu unterbreiten.

Ebenso erfreulich ist die Breite der Fallgestaltungen, in denen ein Schlichtungsantrag gestellt wird. Da kann es um Schadensersatz wegen vom Anwalt verursachter Mehrkosten der Zwangsvollstreckung in zweistelliger Höhe, aber auch um die Reduzierung einer von einer Bank oder einem Sozialleistungsträger geforderten Rechtsanwaltsvergütung in fünfstelliger Höhe gehen. Die Freude über das Gelingen der Schlichtung ist in jedem Fall groß. Bemerkenswert ist auch, dass sich nicht nur Mandantinnen und Mandanten an die Schlichtungsstelle wenden, sondern dass vermehrt Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Schlichtungsstelle mit einer Streitlösung beauftragen, ohne sofort den Gerichtsweg zu beschreiten.

Streitigkeiten im Mandantenverhältnis gehen häufig auf eine unzureichende Aufklärung über die voraussichtlich entstehenden Kosten und die Erfolgsaussichten der rechtlichen Vorgehensweise zurück. Dazu trägt meines Erachtens unter anderem die elektronische Kommunikation bei, die trotz ihrer unbestrittenen Vorteile im Mandatsverhältnis ihre Tücken hat. Schon die Beauftragung geschieht oft per E-Mail und ebenso der laufende Austausch. Versäumt wird dabei leider die ausführliche mündliche Erörterung des Kosten- und Prozessrisikos und die anschließende Dokumentation.

Zu meinen Erfahrungen als Schlichterin gehört schließlich auch, dass die Funktion der Schlichtungsstelle als Streitmittlerin in ausschließlich vermögensrechtlichen Angelegenheiten bei der Mandantschaft weithin unbekannt ist. Und das, obwohl die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft bereits seit zehn Jahren etabliert ist. Hier bietet sich für die Öffentlichkeitsarbeit zukünftig ein weites Feld.

Wann bietet sich aus Ihrer Sicht ein Gerichtsverfahren an, wann ein Schlichtungsverfahren – oder anderes gefragt: wo liegt der Mehrwert von beidem?

EM: Ein Gerichtsverfahren ist der richtige Weg, wenn die Fronten zwischen den Streitgegnern bereits derart verhärtet sind, wenn der Streit so weit eskaliert ist, dass zumindest Einem der Beiden der Verständigungswille fehlt und daher die Entscheidungskompetenz eines Dritten, die staatliche Autorität, gefragt ist.

In allen übrigen Fällen lohnt sich die Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren. Schnell, kostenrisikofrei und ohne großen Aufwand wird ein Vorschlag unterbreitet, wie der Streit beigelegt werden kann. Und selbst wenn die Schlichtung ohne Erfolg bleibt, erfahren die Streitparteien durch einen neutralen und kompetenten Dritten, welchem Prozessrisiko sie ausgesetzt sind, wenn sie den Rechtsweg beschreiten. Zudem bietet die Schlichtung mehr als die Chance, schnell sein geldwertes Ziel zu erreichen. Anders als bei einem Gerichtsverfahren geht keiner der Parteien als Verlierer vom Platz, beide zeigen Größe, wenn sie der Vermittlung den Vorzug vor dem Gerichtsprozess geben. Eine Basis für künftige Geschäftsbeziehungen lässt sich daher eher nach einer Schlichtung finden. Sie sehen, der Mehrwert der Schlichtung ist enorm.

Wie wichtig ist Sprache im Schlichtungsverfahren und worauf ist zu achten?

EM: Die Sprache spielt im Schlichtungsverfahren eine überragende Rolle. Weil weder ein mündlicher Austausch noch eine Erörterung vorab stattfinden, konzentrieren sich die Bemühungen darauf, die Parteien ausschließlich schriftlich zu einer Einigung zu bewegen. Das kann nur gelingen, wenn die Sprache für beide Seiten klar und verständlich ist und die juristische Argumentation nachvollziehbar darstellt. Kein leichtes Unterfangen angesichts der teilweise sehr unterschiedlichen Empfängerhorizonte. Zudem ist bei der Ausformulierung des Schlichtungsvorschlags stets darauf zu achten, Empathie für beide Parteien auszustrahlen und um Verständnis zu werben, sollte der Schlichtungsvorschlag nicht deren Rechtsansicht widerspiegeln. Und schließlich muss die Sprache dem Schreiben insgesamt den Charakter eines Vorschlags verleihen, der sich deutlich von einer gerichtlichen Entscheidung abhebt und dennoch aus guten Gründen angenommen werden sollte.

Spielt Schlichtung auch eine soziale Rolle?

EM: Für die Verbraucherschlichtung ist das offensichtlich. Typischerweise stehen sich in dem zu lösenden Konflikt zwei Parteien gegenüber, die hinsichtlich der dafür wesentlichen Eigenschaften ein großes Ungleichgewicht aufweisen. Auf der einen Seite die Unternehmer, die kraft ihrer Praxiserfahrung über die materielle Fachkompetenz, die verfahrensrechtliche Versiertheit und die finanzielle Unabhängigkeit verfügen, um einem langwährenden Gerichtsprozess gelassen entgegenzublicken. Und auf der anderen Seite die Verbraucher, die die Streitsache nur mit ihrem rein laienhaften Rechtsverständnis beurteilen können, oft noch nie ein Gerichtsverfahren bestritten haben und zudem aus finanziellen Erwägungen ein Kostenrisiko scheuen.

In diesem Fall bietet die Schlichtung einen Ausgleich, weil beispielhaft die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft als unabhängige Einrichtung der Bundesrechtsanwaltskammer ihre Schlichtungsvorschläge kostenlos unterbreitet und den Parteien anhand der darin enthaltenen rechtlichen Würdigung eine Abschätzung des eigenen Prozessrisikos ermöglicht.

Frau Mette, vielen Dank für dieses Gespräch!

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