Was Sie schon immer zum Thema „Schlichtung & Co.“ wissen wollten… (3)

(3) - Was genau ist Schlichtung? Paul van Odijk erklärt präzise und verständlich, was „Schlichtung“ genau ist. Sehr hilfreiche Erläuterung eines ziemlich neuen Rechtskonzepts.

Ungefähr so funktioniert "Schlichtung"... Foto: USS / CC-BY-SA 4.0int

(Von Paul van Odijk, Rechtsreferent bei der Universalschlichtungsstelle des Bundes) – Was genau hinter dem Begriff der „Schlichtung“ im Sinne des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) steckt, ist selbst für einige Jurist*innen noch ein Rätsel, mehr aber noch für eine Vielzahl aller Bürger*innen. Meint dieser Begriff dasselbe wie Mediation? Und falls nicht, hat die theoretische Unterscheidung überhaupt eine praktische Auswirkung? Was müssen Unternehmer*innen und Verbraucher*innen wissen und können sie selbst zwischen Schlichtung und Mediation wählen? Rund um den Begriff der Schlichtung gibt es noch einige offene Fragen – vollkommen normal bei einem so jungen und lebendigen Rechtsgebiet. Doch Schlichtung steht und fällt mit der Teilnahmebereitschaft und Akzeptanz der Parteien. Dafür muss man wissen, was genau dahintersteckt. Der heutige Beitrag nimmt sich deshalb vor, Ihnen den Begriff der Schlichtung etwas näher zu bringen und mit möglichen Vorurteilen aufzuräumen. Ein Praxisbeispiel macht es besonders deutlich.

Bestimmt hat jeder schon einmal von „Schlichtung“ gehört. Mancher mag sich auch noch an das sogenannte Schlichtungsverfahren von Stuttgart 21 erinnern: Jeweils sieben Vertreter beider Seiten und Heiner Geißler als „Schlichter“. Doch dieses demokratische Experiment ist nicht vergleichbar mit der Schlichtung im Sinne des VSBG. Denn es ging eben um einen demokratischen Meinungsaustausch und um kein gesetzlich geregeltes Schlichtungsverfahren. Der Unterschied: In einem VSBG-Schlichtungsverfahren wird eingehend die Rechtslage gewürdigt. Bei Stuttgart 21 ging es vor allem darum, einen gesellschaftlichen Kompromiss zu finden.

Doch nun ganz von vorn: Wir wollen damit beginnen, uns die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Mediation und Schlichtung etwas genauer anzuschauen.

Beide Verfahren sind Alternativen zum direkten Weg zu Gericht: In der Person des Schlichters oder Mediators schaltet sich ein neutraler Dritter in den festgefahrenen Streit ein. Grundsätzlich ist das Ergebnis des Verfahrens für keinen bindend. So weit die Gemeinsamkeiten.

Große Unterschiede lassen sich aber in der Rolle des Dritten betrachten. Und was bedeuten diese ganz praktisch für Sie? Der Schlichter versucht zunächst, den Sachverhalt durch gezielte Nachfragen bestmöglich zu erfassen. Er kann jedoch nicht wie ein Gericht selbstständig Beweise erheben, sondern ist auf das angewiesen, was die Parteien beisteuern. Das ganze Prozedere ist transparent: Jeder weiß, was der andere sagt und kann dazu Stellung nehmen.

Ist der Sachverhalt einmal ermittelt, geht es an dessen rechtliche Bewertung – ähnlich wie bei einem Gerichtsverfahren. Zusätzlich kann der Schlichter die Interessen der Parteien in seinen Schlichtungsvorschlag einfließen lassen. Interessen? Steckt hinter dem schwammigen Begriff die Hintertür für einen faulen Kompromiss? Eine pauschale „fifty-fifty“ Lösung, mit der jeder sein Gesicht wahrt? Nein, keinesfalls! Die rechtliche Würdigung ist das Fundament jedes Vorschlags. Er gibt die Richtung vor. Aber es kann Fälle geben, in denen das Gesetz aus der Sicht der Beteiligten nicht die „beste Lösung“ vorsieht. Ein Beispiel:

Ein Verbraucher bestellt übers Internet eine Matratze bei einem mittelständischen Möbelhaus. Um die Matratze zu testen, öffnet der Verbraucher die Plastikversiegelung der Matratze und liegt Probe. Leider ist die Matratze doch zu hart – sie soll also zurück. Grundsätzlich kein Problem: Beim Online-Shopping hat der Käufer ein 14-tägiges Widerrufsrecht, um das Produkt auszuprobieren.

Also Kaufpreis und Rückversandkosten zurück? Grundsätzlich kennt man das so beim Online-Kauf. Doch eine Matratze ist kein Produkt wie jedes andere. Und auch das gesetzliche Widerrufsrecht kennt Nuancen. So führte der Fall zu einem langen Weg durch die Instanzen. EuGH und BGH sorgten erst letztes Jahr für klare Verhältnisse in Sachen Matratzenkauf im Internet: Auch wenn der Verkäufer eine ausgepackte Matratze aufwendig reinigen muss und sie danach nur zu einem Bruchteil vom Preis verkaufen kann, hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht. Je nachdem ist dem Unternehmer aber ein Wertersatz zu zahlen, der den Widerruf für den Verbraucher wirtschaftlich uninteressant machen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Unternehmer in der Widerrufsbelehrung eine wirksame Wertersatzklausel verwendet. In unserem Fall vergaß das der Möbelhändler.

Sachverhalt und rechtliche Bewertung stünden damit für das Schlichtungsverfahren fest: Matratze zurück, Kaufpreis zurück. So deutlich und transparent erklärt das der Schlichter auch in seinem Schlichtungsvorschlag.

Nun darf der Schlichter darüber hinaus die Interessen der Beteiligten in seinen Vorschlag einfließen lassen, aber nicht als „eine Soße“ zusammen mit der rechtlichen Bewertung, sondern klar getrennt davon – beispielsweise unter „sonstige Erwägungen“. Geben wir unserem Matratzen-Fall noch ein wenig mehr Leben:

Während des Schlichtungsverfahrens kristallisiert sich heraus, dass die Matratze dem Verbraucher eventuell für sein geplantes Gästezimmer tauge. Doch für ein paar dutzend Besuche im Jahr ein paar Hundert Euro? Das sei es ihm auch nicht wert. Auch dem Möbelhaus liegt an der ausgepackten Matratze nicht viel. Nach einem teuren Rücktransport und der Reinigung bliebe eine Matratze, die nicht mehr als originalverpackte Matratze verkauft werden könnte.

In einer derartigen Situation könnte der Schlichter vorfühlen, ob das geplante Gästezimmer möglicherweise auch Raum für einen Schlichtungsvorschlag bietet, der von der gesetzlich vorgesehenen Lösung abweicht. Wie wäre es zum Beispiel mit einem satten Rabatt auf den ursprünglichen Kaufpreis der Matratze? Oder ein Gutschein für den nächsten Einkauf (zur Einrichtung des Gästezimmers)?

Schlichtung schafft also nicht nur Klarheit über die konkrete Rechtslage, sondern bietet darüber hinaus die Möglichkeit, eine Lösung vorzuschlagen, von der beide Seiten profitieren. Eine derartige Möglichkeit ergibt sich aber natürlich nicht bei jeder Schlichtung. In vielen Fällen orientiert sich deshalb der Schlichtungsvorschlag an der rechtlichen Bewertung. Und wichtig ist, dass die Parteien sich immer in voller Kenntnis der Rechtslage einigen, auf Augenhöhe.

Der Mediator hingegen bewertet weder die Rechtslage noch die Interessen der Beteiligten. Aus diesem Grund schlägt er auch keine Lösung vor. Er leitet vielmehr das Gespräch und hilft den Parteien dabei, eine eigene Lösung zu finden. Dafür setzt er spezielle Methoden und Gesprächstechniken ein. Strenge Fristen und Formerfordernisse gibt es bei der Mediation nicht. Schaut man sich die Anforderungen eines Schlichtungsverfahrens nach dem VSBG an, kann man die Mediation als noch flexibler bezeichnen. Das kann bei bestimmten Streitigkeiten Vorteile haben, etwa bei einem Mietverhältnis, das gerade nicht enden soll und bei dem es wichtig ist, dass die Parteien mit einer von beiden selbst erarbeiteten Lösung noch gut und lange zusammen funktionieren können.

Ob Mediation oder Schlichtung können die Streitenden grundsätzlich selbst entscheiden – vorausgesetzt, es gibt eine passende Schlichtungsstelle. Der nächste Beitrag versucht einen kurzen Überblick über das Angebote zu geben.

Und da es die Mediation ebenso wie Schlichtung wert ist, noch viel detaillierter erklärt zu werden, widmen sich zwei später erscheinende Beiträge nur diesem Thema, ebenfalls mit Beispielen aus der Praxis.

Im nächsten Artikel dieser Serie wird es aber erst einmal darum gehen, Orientierung zwischen den verschiedenen Verbraucherschlichtungsstellen zu schaffen.

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