Was Sie schon immer zum Thema „Schlichtung & Co.“ wissen wollten… (5)

(5) In welchen Fällen lohnt es sich eine Verbraucherschlichtungsstelle einzuschalten?

Wenn sich zwei Parteien nicht einigen können - nicht ärgern, sondern schlichten! Foto: Tetzemann / Wikimedia Commons / CCO 1.0

(Von Iris Burr, Schlichterin bei der Universalschlichtungsstelle des Bundes) – Eines vorweg: den EINEN typischen für (Verbraucher-)Schlichtung geeigneten Fall gibt es nicht, sondern einen bunten Strauß – das zeigt schon die Vielfalt an spezialisierten Schlichtungsstellen. Auch außerhalb der Verbraucherschlichtung gibt es viele Einrichtungen, die sich um eine außergerichtliche Einigung zwischen „Streitparteien“ bemühen. Bei dieser Bandbreite an Einrichtungen wird schnell klar, dass es nicht möglich ist, den einen idealen Schlichtungsfall aufzuzeigen. Jede Stelle setzt zudem unterschiedliche Schwerpunkte. Dieser Beitrag widmet sich der Praxis der Universalschlichtungsstelle des Bundes (USS).

So viele (Alltags-)Probleme uns tagtäglich beschäftigen, so vielfältig können die von den Schlichtungsstellen bearbeiteten Fälle sein – insbesondere bei jenen Stellen, die nicht nur auf eine Branche spezialisiert sind. Von wenigen Ausnahmen abgesehen decken die Verbraucherschlichtungsstellen alles ab, was im Zusammenhang mit einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmen steht – was immer auch Vertragsgegenstand ist.

Nicht zuletzt in Corona-Zeiten, aber auch sonst spielt der Online-Handel eine wichtige Rolle. Jeder kennt die kleinen und großen Probleme, die bei einem Vertragsschluss im Internet auftauchen können

Wer beispielsweise beim Online-Händler ein schickes Sommersakko bestellt, aber dieses nicht erhält, kann sich an die Universalschlichtungsstelle des Bundes wenden, wenn zuvor keine Einigung mit dem Händler möglich war (ein eigener Einigungsversuch, der aber nicht zu einer Lösung führte, ist immer Voraussetzung eines Schlichtungsverfahrens).

Zugegeben, der Fall wirkt so auf den ersten Blick nicht so kompliziert, als dass es einer qualifizierten juristischen Einschätzung durch eine Verbraucherschlichtungsstelle bedürfte. Aber wie so oft stellen sich in der Praxis Fragen wie: Was, wenn der Verbraucher das Sakko weiterhin geliefert bekommen möchte, weil er es sonst nirgendwo bekommen würde, welche Fristsetzung ist dann richtig? Oder können Verbraucher, die eine Nachfrist gesetzt haben, einfach spontan während dieser von ihnen gesetzten Frist ihre Meinung ändern und die Bestellung abblasen? Und selbst wenn nicht, wäre ein Lieferung nicht völliger Unsinn, wenn der Verbraucher sie doch widerrufen würde, sobald sie eingeht? Und wenn der Widerruf dann gar bloße „Rache“ wäre? Oder wohlüberlegt, nachdem der Verbraucher erfahren hat, dass derzeit viele Kunden schon seit Monaten vertröstet werden?

Genauso kümmert sich die Universalschlichtungsstelle um die Lösung, wenn in Frage steht, ob ein teures Ersatzteil tatsächlich für das eigene Auto geeignet ist oder ob bei der Nutzung des durch den Händler zu Verfügung gestellten Auswahl-Tools etwas schief gegangen ist. In Betracht kommt dabei beispielsweise ein Programmierfehler durch den Händler, aber genauso ein einfaches „Verklicken“ bei der Nutzung des Tools.

So wichtig der Online-Handel ist, spielt sich natürlich nicht das gesamte Leben in der virtuellen Welt ab. Die neue Küche kaufen die meisten schließlich vor Ort und bestellen diesen nicht direkt im Internet.

Dies gilt auch für Auseinandersetzungen mit dem Vermieter, wenn es beispielsweise beim Auszug um das Streichen der Wände, die Rückzahlung der Kaution oder die letzte Nebenkostenabrechnung geht – oder im Rahmen eines Wohn- und Betreuungsvertrages streitig ist, wer den Einbau einer neuen Küche überhaupt bezahlen muss, der Bewohner oder das Heim?

Weitere Beispiele sind auf der Website der Universalschlichtungsstelle dargestellt, dort unter „Unser Verfahren“ und dann „Beispielhafte Sachverhalte“.

Es kommt aber nicht nur auf den Kern der Streitigkeit an, auch andere Faktoren entscheiden darüber, ob ein Streitbeilegungsverfahren erfolgreich sein kann, wie beispielsweise die Einigungsbereitschaft der Parteien.  Wenn eine der Parteien „nur“ Recht bekommen möchte und nicht bereit ist eine abweichende Meinung zu akzeptieren, bietet sich eher ein Verfahren vor Gericht an.

Die Universalschlichtungsstelle beurteilt den Fall zwar auch maßgeblich nach der Rechtslage, welche in jedem Einzelfall geprüft wird, es können (und werden) aber auch noch weitere Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt. Hier sollten die Parteien eine gewisse Offenheit und auch Verständnis für die andere Seite mitbringen. Wo durch den neutralen Rahmen der Schlichtung systematisch Gelegenheit zu Stellungnahmen beider Seiten besteht, kann sich dieses Verständnis auch im Laufe des Verfahrens entwickeln. Das nimmt den Ärger aus der Sache, auf diesem Fundament kann eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Sei es dadurch, dass sich die Parteien selbst im Verfahren einigen, sei es dadurch, dass ein Schlichter einen Vorschlag macht.

Wenn im genannten Sacco-Fall also der Verbraucher eigentlich einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises hätte, aber das Unternehmen gute Gründe für die bislang fehlende Lieferung vortragen kann, wird der Vorschlag im Einzelfall eben nicht zwangsläufig auf Rückzahlung lauten, sondern eventuell auf eine spätere Lieferung, die durch einen angemessenen Rabatt versüßt wird, sofern das den ermittelten Interessen der Parteien entspricht.

Im Gegensatz zum Gerichtsverfahren ist die Annahme des Vorschlags der Universalschlichtungsstelle freiwillig – daher kann es (anders als bei Gericht) nur eine Einigung geben, mit der beide Parteien einverstanden sind.

Selbstverständlich bedeutet dies nicht, dass einfach ein Kompromiss in der Mitte vorgeschlagen wird, und schon gar kein „fauler“. Wenn die Rechtslage eindeutig ist und auch sonst keine Umstände vorliegen, die eine Abweichung rechtfertigen, kann das Verfahren auch komplett zugunsten der einen oder anderen Partei ausgehen.

Ziemlich banal, aber doch wichtig, ist, dass überhaupt eine Verständigung zwischen den Parteien möglich ist – sie also eine gemeinsame Sprache sprechen, oder sich zumindest mit Hilfe der Schlichtungsstelle (und gegebenenfalls weiter unter Zuhilfenahme der Europäischen Verbraucherzentren oder der ODR-Plattform verständigen können. Diesem Aspekt wird sich ein eigener Beitrag in dieser Reihe widmen – umso mehr als Verbraucherschlichtung einen starken europäischen Hintergrund hat.

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