Was Sie schon immer zum Thema „Schlichtung & Co.“ wissen wollten… (6)
(6) - Mediation – was ist eigentlich der Unterschied zur Schlichtung?
(Von Claude Fellens, Mediator des “Service national du Médiateur de la consommation”, Luxembourg) – Mediation kann man als geleitetes und begleitetes Verhandeln beschreiben, in der ein neutraler und unparteiischer Mediator die Parteien darin unterstützt einen konstruktiven Dialog zu führen um eine für alle Beteiligten gute und vor allem gemeinsame Lösung zu finden. Dabei bewertet der Mediator nicht und bezieht keine Position. Die Aufgabe des Mediators siedelt sich auf der „Wie-Ebene“ an, das heißt einerseits gute Bedingungen schaffen um den Parteien einen sicheren Rahmen zur Verfügung zu stellen und andererseits das Gespräch zu führen ohne auf der „Um-was-geht-es-Ebene“ inhaltlich einzugreifen. Die Meinung des Mediators zum Inhalt des Falls ist somit unerheblich.
Durch das Stellen offener Fragen leitet der Mediator das Gespräch und ermöglicht es den Parteien die eigenen inhaltlichen Interessen zu entdecken und die Beweggründe für ihr Handeln der oder den anderen Parteien nachvollziehbar zu machen. Offene Fragen, das sind solche, auf die ein „Ja“ oder „Nein“ als Antwort ungenügend ist.
Im Übrigen ist Nachvollziehbarkeit wohl das große Schlagwort der Mediation: Wenn ich verstehe, wieso mein Gegenüber so gehandelt hat wie er dies hat, dann kann ich das viel eher annehmen (was nicht heißt, dass ich sein Handeln befürworten muss).
Und da kein Mensch, zu keinem Zeitpunkt, sein Denken und seine Emotionen abschalten kann, kann das direkte Gespräch unter der Leitung des Mediators auch dazu dienen die Emotionen der anderen Parteien nachvollziehbar zu machen um so letztlich ein offeneres, damit entspannteres und dadurch letztlich produktiveres Gesprächsklima zu schaffen. Auf all dies arbeitet der Mediator hin, dies ist seine Aufgabe.
Für die Parteien kann es zuerst befremdlich sein, dass der Mediator in keiner Weise inhaltlich in das Gespräch eingreift, da sie oft die Erwartung haben, dass er ihnen die Lösung ihres Streites aufzeigen wird. Doch mit der Zeit spüren die Parteien, welch eine große Entlastung es ist, darauf Vertrauen zu können, dass der Mediator eine vollkommen neutrale Position einnimmt und für jede Partei gleichermaßen da ist. Das so geschaffene Vertrauen löst letztendlich den nötigen Fluss von Oxytocin und Dopamin im Gehirn der Parteien aus, der nötig ist, um überhaupt die neurologische Voraussetzung dafür zu schaffen, dass die Parteien in der Lage sind, den Weg der Konfrontation zu verlassen um den der Kooperation einzuschlagen.
Gemeinsam haben sicher die Schlichtung und die Mediation, dass sowohl der Schlichter und der Mediator nicht einseitige Interessenvertreter sind, wobei der Schlichter sich jedoch mit dem Schlichtungsvorschlag inhaltlich klar positioniert. In der Tat wertet der Schlichter sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage, um den Parteien einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten, welchen diese dann annehmen können oder eben nicht.
Pauschalisierend könnte man sagen, dass der Schlichter bewertet und der Mediator wertfrei begleitet.
Welche Fälle sind nun besser in der Schlichtung aufgehoben und welche besser in der Mediation? Eine sehr schwierige Frage, die wahrscheinlich abschließend erst am Ende eines jeden Verfahrens zufriedenstellend zu beantworten ist. Ein Leitschnur könnte sein, ob es eine längere Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien gibt, die es zu retten gilt: Hier könnte sich die Mediation als sehr wertvoll erweisen.
Oder, der Streitwert: Ist er gering, sind die Partien oft nicht gewillt die Zeit zu investieren, um sich an einen Tisch zu setzen. Oder es kommt ihnen gerade auf einen Lösungsvorschlag durch einen unparteiischen Dritten an, den sie dann auch akzeptieren, um die Streitigkeit außergerichtlich zu beenden. Natürlich kann man abwägen, welche Zeit das Verfassen einer schriftlichen Stellungnahme im Verhältnis zu einer Mediation in Anspruch nimmt, doch für manche ist es auch einfacher, eine Lösung „vorgesetzt zu bekommen“ anstatt selbst mit der anderen Seite eine finden zu müssen, insbesondere, wenn es sich um eine einmalige Angelegenheit handelt – und auch, weil sie zu wenig über Mediation wissen.
Unzweifelhaft kann auch die Geographie ein starkes Argument für die Schlichtung sein. Wenn also die Parteien weit voneinander entfernst sind und ein Zusammentreffen den Zeit- und Kostenrahmen des Falles sprengen würden.
Doch auch hier überraschen die Parteien den Autor immer wieder, wenn zum Beispiel ein Paar aus der Normandie die Mediation in Luxemburg nutzt, um sich einen Kurzurlaub in der Region zu gönnen… Im kommenden Beitrag wird es darum gehen, anhand von konkreten Beispielen zu illustrieren, wie Mediation in der Praxis aussieht.
Wahrscheinlich ist eine Prozessflexibilität die beste Lösung. Mit anderen Worten: beide Verfahren im Werkzeugkasten zu haben und beide, je nach Interessen und Bedürfnisse der Parteien, einsetzen zu können und vor allem auch verbinden zu können.
In der Tat sind die während der Mediation ausgearbeiteten Interessen sehr nützlich, um einen annehmbaren Schlichtungsvorschlag formulieren zu können falls die Parteien im Rahmen der Mediation könne Lösung gefunden haben, Und umgekehrt kann eine ungeklärte rechtliche oder sachliche Fragestellung die Mediation blockieren, und es kann hilfreich sein diese punktuell in von einem Schlichter klären zu lassen, um mit dieser Meinung im Gepäck die Mediation fortzufahren.
Letztendlich würde ein feinfühliges Abtasten der Parteien im Vorfeld einem kundigen unparteiischen Dritten ermöglichen, das zielführende Verfahren auszusuchen. Die Möglichkeit auf beide Verfahren zurückgreifen zu können und diese gegebenenfalls auch verbinden zu können ist ein phantastisches Werkzeug den Interessen und Bedürfnissen der Parteien auf der Prozessebenen Rechnung zu tragen.
(Der Luxemburger “Service national du Médiateur de la consommation” ist das Pendant zur Universalschlichtungsstelle des Bundes in Deutschland. Überwiegend wird er als Mediator und nicht als Schlichter tätig, wenngleich ihm dieses ebenfalls möglich ist.)
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