Was Sie schon immer zum Thema „Schlichtung & Co.“ wissen wollten… (7)

Schlichtung? Mediation? Claude Fellens erklärt anhand eines konkreten Beispiels die Unterschiede. Mit Happy End.

Schlichtung und Mediation agieren beide auf dem Boden des Rechts. Und sind trotzdem sehr verschieden. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(Von Claude Fellens, Mediator des „Service national du Médiateur de la consommation“, Luxembourg) – Wunderbar. Perfekte Voraussetzungen für eine erfolgreiche Mediation: Ein Geschäftsführer, der seine Kundin nicht wiederhaben will und eine Kundin, die durch ihre Verspätung noch gestresster in der Mediation auftaucht…

Pünktlich um 14:30 klingelte der Geschäftsführer des Optikergeschäfts an unserer Tür. Zum ersten Mal sah ich also den Herrn, mit dem ich mich vorige Woche so angeregt am Telefon unterhalten hatte. „Kann ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?“. „Sehr gerne einen Espresso, schwarz“. Die typischen ersten Sätze in Mediationen. Kurz darauf klingelt mein Handy und eine sichtlich aufgeregte Dame – die Kundin des Optikers – bat um Entschuldigung, dass sie eine gute Viertelstunde Verspätung haben würde.

Zeit also, um sich noch ein bisschen zu unterhalten. Ob er denn schon an einer Mediation teilgenommen hätte, fragte ich den Herrn. Nein, noch nicht und er erwarte sich auch nicht viel von dem Termin mit dieser Kundin, aber er habe nun einmal diesen Weg gewählt, aus purer Neugier. Sonst würde er diese Fälle ruck-zuck vom Gericht klären lassen.

Gemäß meinen gerade erst erlernten Prinzipien der Mediation, erzählte ich ihm freudestrahlend, dass ein großer Vorteil der Mediation sei, dass das zerrüttete Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seiner Kundin in einem konstruktiven Gespräch wiederhergestellt werden könnte und er somit seine Kundin behalten und langfristig an sich binden könnte. Unbeeindruckt schaute mich der Herr an und meinte: „So eine Kundin will ich überhaupt nicht zurück“.

Kurze Zeit später betrat eine offensichtlich aus der Puste geratene und genervte junge Frau „die Kampfarena“. Wunderbar. Perfekte Voraussetzungen für eine erfolgreiche Mediation: ein Geschäftsführer, der seine Kundin nicht wiederhaben will und eine Kundin, die durch ihre Verspätung noch gestresster in der Mediation auftaucht.

Um was ging es eigentlich? Gut zwei Wochen vor dem Termin rief der Geschäftsführer mich an: Er hätte da eine Kundin, die eine Brille für ihre kleine Tochter zwar bestellt, jedoch weder bezahlen noch entgegennehmen wolle. Ob wir sowas machen würden? Klar! Ich bot an, die Kundin anzuschreiben um ihr eine Mediation vorzuschlagen.

Zurück zur Mediation. Die Kundin erklärte, dass die Brille für ihre dreijährige Tochter bestimmt gewesen sei, die an einer Augenkrankheit leide und alle sechs Monate eine neue Brille bekommen müsse. Und da sie alleinerziehende Mutter von zwei Kindern sei, könne sie sich eine Brille für über 500 Euro alle sechs Monate überhaupt nicht leisten. Außerdem fände sie diese Summe für ein Kleinkind unverhältnismäßig. Denn nicht zuletzt hätte die Beraterin ihr erklärt, dass über die Hälfte des Betrages von der Krankenkasse übernommen werden würde, ein Argument, das sie letztendlich dazu bewogen hatte, die sehr schöne Brille für ihre Tochter zu bestellen – was sich aber als falsch erwies. Ob er die Brille denn nicht einfach an ein Kind mit reicheren Eltern verkaufen könne?

Etwas verstört blickte der, bis dahin durchaus interessiert und geduldig zuhörende Herr auf seine Kundin. Ohne ein Wort zu sagen nahm er ein Blatt Papier aus seine Tasche und erklärte seiner Kundin in Wort und Bild, dass jedes Brillenglas individuell auf das Augenpaar angepasst werden muss, und dass diese Brillengläser dann in seiner Werkstatt in aufwendiger Handarbeit an das Gestell angepasst werden müssten und daher auch nicht einfach in eine andere Montur eingesetzt werden könnten. Insgesamt also eine sehr aufwendige Arbeit, in der es um Mikromillimeter gehen würde. Und falls bei der Kundin im Kundengespräch der Eindruck entstanden sein sollte, dass die Krankenkasse 50 % der Kosten der Gläser und des Gestells übernehmen würde, dann würde er das mit nach Hause nehmen und persönlich vergewissern, dass seine Berater jedenfalls in Zukunft genauer geprüfte und unmissverständliche Angaben machen.

Die Kundin führte noch aus, dass das Optikergeschäft genau zwischen der Kindertagesstätte ihrer Tochter und ihrem Zuhause liegen würde und sie sich sehr viel Zeit ersparen könnte beim Besuch genau dieses Geschäfts. Leise fragte sie, ob es vielleicht in Ordnung wäre das Geld in zwei Raten zu überweisen. Der Herr griff in seine Sakkotasche, nahm eine Visitenkarte und einen Kugelschreiber heraus und schrieb etwas auf erstere.

„Natürlich ist eine Ratenzahlung völlig in Ordnung, hier haben Sie meine Visitenkarte mit meiner direkten Nummer, das nächste Mal, wenn Sie uns besuchen kommen, rufen Sie mich vorher an, dann wählen wir zusammen eine schöne Brille für Ihre Tochter aus.“

(Der Luxemburger “Service national du Médiateur de la consommation” ist das Pendant zur Universalschlichtungsstelle des Bundes in Deutschland. Überwiegend wird er als Mediator und nicht als Schlichter tätig, wenngleich ihm dieses ebenfalls möglich ist. Die Universalschlichtungsstelle bietet ausschließlich Schlichtung an. Zu den Unterschieden lesen Sie die vorausgegangenen Beiträge dieser Serie, in Kürze hier!)

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