Was vor 229 Jahren in Frankreich passierte…

… ist eigentlich das, was wir heute wieder bräuchten. Die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung leisteten den „Ballhausschwur“ (der wenig mit Ball und Tanzen zu tun hatte…).

Volkes Willen zu ignorieren kann Könige kopflos machen... Foto: Jean-Louis Prieur / Pierre-Gabriel Berthault / Wikimedia Commons / PD-Art

(KL) – Irgendwie war vor 229 Jahren alles ein wenig wie heute. Zwar hatten die Dinge unterschiedliche Bezeichnungen, aber vom Prinzip her ähnelte sich manches. Wir schreiben den 20 Juni 1789. König Ludwig XVI. hatte gerade den „3. Stand“, also die Abgeordneten des Volkes, von der Versammlung der Generalstände ausgeschlossen. Diese Art von Demokratie war dem Monarchen dann doch zu viel, er bevorzugte es, das Schicksal Frankreichs alleine und gerade mal mit dem Rat des Adels und der Geistlichkeit zu regieren. Blöd nur für den Monarchen, dass ihn das am Ende den Kopf kosten sollte…

Politik wurde und wird in Frankreich von den Reichen für die Reichen gemacht, 1789 ebenso wie 2018. Zwar erlaubt man dem „3. Stand“, sich lauthals zur nationalen Politik zu äußern, doch das war es dann auch schon. Entschieden wird dort, wo das Geld sitzt und das ist, wenn man genau hinschaut, in anderen Ländern auch nicht anders.

Am 20. Juni 1789 tagten die Abgeordneten des „3. Standes“ im Ballhaus von Schloss Versailles. Wobei der Begriff „Ballhaus“ eigentlich ein Übersetzungsfehler ist, denn die Abgeordneten trafen sich in einer Art Tennishalle, in der die Damen und Herren der besseren Gesellschaft das „Jeu de Paume“ spielten, den Vorläufer des Tennissports. Und an diesem 20. Juni 1789 kochte die Stimmung über. Der „3. Stand“, der zurecht feststellte, dass er 98 % der französischen Bevölkerung repräsentierte, verlangte, dass die Stimmenverhältnisse in der Versammlung der Generalstände, in der Adel, Klerus und Volk theoretisch gemeinsam die Macht ausüben sollten (oder besser gesagt, den Teil der Macht, den der König nicht persönlich für sich beanspruchte, ebenso wie heute), geändert werden sollten. Der Umsturz zeichnete sich immer deutlicher ab.

Klar, dass König, Adel und Klerus davon nichts wissen wollten. Doch nun wurden die Abgeordneten patzig, zumal sich ihnen immer mehr Vertreter des Adels und auch des Klerus anschlossen, die verstanden, dass die Dinge kurz davor standen, sich zu ändern. Also trafen die Abgeordneten den „Ballhausschwur“, der nicht mehr und nicht weniger besagte, als dass man die Tennishalle erst dann wieder verlassen würde, wenn Frankreich eine neue Verfassung erhalten haben würde.

Der „Ballhausschwur“ bedeutete in der Praxis die Emanzipation des Volks, denn die Versammlung des „3. Stands“ wurde dadurch zur verfassungsgebenden Nationalversammlung. Eine Woche später, am 27. Juni 1789, beugte sich König Ludwig XVI. dem Druck und erlaubte dem „3. Stand“, als Vertretung der Nation anstelle der Generalstände zu tagen. Dies führte am 9. Juli 1789 zur tatsächlichen Gründung einer verfassunggebenden Nationalversammlung, doch auch diese enorme Wendung der Ereignisse, bei der König Ludwig XVI. faktisch die Macht aus den Händen des Klerus und des Adels in diejenigen des Volks legte, konnte den Wind der Revolution nicht mehr aufhalten. Wenig später sorgte die Französische Revolution für die Abschaffung der Monarchie und kostete den König und viele andere den Kopf.

Und die Moral der Geschichte? Da gibt es gleich mehrere – zum einen sieht man, dass das Konzept „Macht“ nicht etwa gottgegeben, sondern sehr irdisch ist. Dann erkennt man, dass nichts, was der Mensch erschaffen hat, nicht auch vom Menschen wieder verändert werden kann, inklusive der Gesellschaftsordnung. Und dann sollte man sich noch vor Augen führen, dass am Ende des Tages der Wille des Volks ein ganz schön mächtiges Element der Politik ist – was den heutigen König Frankreichs vielleicht dazu bewegen sollte, etwas weniger herablassend mit „seinem“ Volk umzugehen. Die Missachtung, mit der Macron die rund 20 % weniger begüterten Franzosen behandelt, könnte irgendwann dazu führen, dass ihm sein Volk die Macht, die sie ihm verliehen hat, wieder abnimmt. Sicherlich nicht so blutig wie vor 229 Jahren, aber trotzdem.

Und so lehrt uns die Geschichte noch etwas – auf lange Sicht ist es nicht möglich, Politik gegen die Interessen des Volks zu führen. Seltsam, dass praktisch alle Politiker genau das immer wieder versuchen, doch nachhaltigen Erfolg hat dies bisher niemandem beschert. Vielleicht sollten wir uns alle bei den nächsten Wahlen daran erinnern, dass wir die demokratische Möglichkeit haben, diejenigen abzuwählen, die nicht unsere Interessen vertreten. Das wäre doch mal was…

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